Hallo an alle Interessierten,
wohl jeder Modellbauer ist bestrebt, sein Werk vor Kinderhänden, Staub und Staubsauger(inne)n zu schützen. Ich habe hier im Forum verschiedene Lösungen gesehen. Plexiglashauben erfüllen ihren Zweck, haben aber hinsichtlich der möglichen Abmessungen ihre Grenzen; außerdem ist eine schlichte Plastikhaube für ein aufwendig gebautes Modell, vor allem ein Schiffsmodell, kein sehr stilvoller Rahmen. Da gefällt mir der Beitrag von Kai, insbesondere die einfach-geniale Idee der Stapelvitrinen, mit Abstand am besten.
Aktueller Anlaß, im Forum nach diesem Thema zu suchen, war eine Vorbesprechung der 1:200 Bismarck. Wo eigentlich will der Erbauer ein 1,25m langes Modell unterbringen? Die Möbelindustrie bietet hierzu nichts Passendes.
Vor der gleichen Frage stand ich etwa 1994, als der Bau des 1:8 Fokker-"Museumsmodells" anstand, und dann nochmals etwa 1999, als die 1:200 Yamato begonnen werden sollte. Beide Bausätze, die ja auch noch immer produziert werden, sprengen mit 84cm Spannweite bei 72cm Länge und 131cm Länge jedes Maß. Meine damalige Nachfrage bei Vitrinenherstellern nach dem ungefähren Preis einer passenden Vitrine hat mir die Sprache verschlagen. Also mußte ich mich gezwungenermaßen mit einem Selbstbau befassen- aus heutiger Sicht ziemlich verwegen, da ich absolut keine handwerkliche Erfahrung mit Holz hatte. Nachdem ich mir professionell gebaute Vitrinen genau angesehen, viel gefragt und noch mehr gelesen hatte, begann ich mit der Zeichnung. Zu meiner Überraschung war der Bau dann eigentlich ohne große Probleme, so daß ich für die Yamato-Vitrine noch zusätzlich ein Untergestell gebaut habe.
Die Ergebnisse sehen so aus:
Die Unterschiede zu Kais Bauweise sind offensichtlich:
- Meine beiden Vitrinen sind für einen maximalen Lichteinfall allseitig, auch oben, verglast, sehen deshalb sehr filigran aus und können frei in den Raum oder vor ein Fenster gestellt werden.
- Die bei Kai durch die Stapelbarkeit bedingte Proportionierung (unten zierlich, oben massiv) wäre für eine Einzelvitrine nicht sehr vorteilhaft und ist bei mir umgekehrt.
Auf zwei Punkte hat schon Johannes hingewiesen: Saubere Gehrungen müssen aus optischen Gründen sein und Nagelverbindungen können sich beim Bewegen der Vitrine lockern. Auch Schrauben wäre gegen die guten Sitten , der Tischler leimt. Außerdem ist es sinnvoll, die Glasscheiben auch unten und oben in eine Nut zu setzen, da dies nicht nur die Stabilität der Vitrine erhöht (je größer, desto wichtiger), sondern auch sauberer aussieht und das Eindringen von Staub erschwert.
I.
Wer kann nach meiner Anleitung bauen?
Es sind keine Vorkenntnisse erforderlich, alle notwendigen Informationen werden gegeben. Wer ein unterzubringendes Großmodell gut bauen kann, dessen Geschick reicht auch hier aus. Im übrigen macht der Bau, da etwas ganz Neues und damit eine sportliche Herausforderung, großen Spaß. Außerdem löst beim Betrachter der Hinweis, das man nicht nur das Modell, sondern auch die Vitrine gebaut hat, meist noch mehr Interesse an der Vitrine als am Modell aus.
Welche Kosten entstehen?
Das hängt natürlich maßgeblich von der Vitrinengröße und der Qualität des Materials ab ( mehr dazu unten). Bei der Verwendung bestmöglichen Materials kann von einer Ersparnis von etwa 2/3 gegenüber einer angefertigten Vitrine ausgegangen werden.
Welches Werkzeug wird benötigt?
Obligatorisch ist haushaltsübliches Werkzeug, dazu Leim- bzw. Schraubzwingen nach Bedarf, eine Gehrungssäge mit Längenanschlag (hat wohl jeder engagierte Modellbauer). Wünschenswert ist eine große Spritzpistole samt Kompressor und ein Frästisch (wenn man aus Sportsgeist auch die Fräsarbeiten selbst machen will).
Welche Entscheidungen müssen vor dem Bau getroffen werden?
- Abmessungen: Der vorsichtige Mensch will sein Modell nach Fertigstellung sofort in die schützende Vitrine setzen können, baut also die Vitrine vor dem Modell. Probieren mit der Vitrinengröße geht daher idR nicht. Da es ausgesprochen schlecht aussieht, wenn das Modell wie in die Vitrine hineigezwängt wirkt, die Vitrine immer großzügig bemessen, als Faustreglel überall eine Handbreit Abstand zum Modell.
- Wenn die Vitrine nicht wirklich ortsfest, z. B. auf einem Sideboard, plaziert werden soll, eine große Vitrine immer - wie auf meinen Bildern -rollbar machen; Glas ist unglaublich schwer.
- Farbton des Holzes: Ein dunkler Holzton (bei mir Mahagoni) ist nicht nur attraktiv, bei Ihm lassen sich auch kleinere Paßungenauigkeiten und später Beschädigungen relativ leicht kaschieren.
Wie wird geplant?
Nie ohne Maßzeichnung planen! Diese Zeichnung wiederholt überprüfen und nachrechnen; erst dann entsprechend der Zeichnung die Materialliste aufstellen.
Welches Material wird benötigt und woher bekomme ich es?
- Die Glasteile liefert der Glaser nach Euren Maßangaben fix und fertig. Die sichtbaren Kanten des Glases (also die, die n i c h t in einer Nut stecken) müssen immer geschliffen sein, da sich sonst das Licht unregelmäßig in ihnen bricht und Verletzungsgefahr besteht; bei den nicht sichtbaren Kanten (also die, die in einer Nut verschwinden) ist dies entbehrlich. Als Glasstärke ist bei größeren Vitrinen wie meinen 4mm richtig; bei eventuellen Glas-Einlegeböden den Glaser fragen. Wer seiner Planung oder der Genauigkeit seiner Arbeit nicht traut, bestellt das Glas erst später (siehe unten bei Schritt 5).
- Beim Holz kein gewachsenes (Massiv-)Holz nehmen, da dieses, selbst wenn gut abgelgert, bei wechselnder Temperaratur und Luftfeuchtigkeit nicht formstabil ist (Rat meines Holzexperten). Stattdessen für alles entweder furnierte Spanplatte 19mm oder furnierte Tischlerplatte 19mm als Material wählen. Spanplatte ist etwas preisgünstiger, kann aber beim Fräsen und Sägen etwas unsauberere Kanten ergeben. Vor dem Kauf des Holzes vergewissern, daß dort nicht nur die Grundplatte, sondern auch die später andernorts zu fräsenden Streifen geschnitten werden können. Ich habe mein Material seinerzeit in einem speziellen Holz- und Leistenhandel gekauft. Wenn Ihr kein geeinetes Geschäft findet, fragt beim nächsten Tischler. Man nimmt beim gesamten Bau nur ein einziges Mal Massivholz, nämlich für das Einfassen der Bodenplatte: bei einer Bodenvitrine dient dieses in Hartholz sozusagen als massiver Stoßschutz, bei Nicht-Bodenvitrinen dient eine attraktive Fertigleiste als dekorativer Abschluß.
II.
Der Bau Schritt für Schritt
1. Schritt: Materialbestellung
Beim Glaser das Glas in Auftrag geben. Aus 19mm-Platte beim Holzlieferanten die Grundplatte und Streifen von 18mm Breite und Streifen von 25mm Breite schneiden lassen (spätere das Ablängen macht Ihr mit der Gehrungssäge selbst); die Streifen von 18mm bezeichne ich Ihrem zukünftigen Verwendungszweck entsprechend ab sofort als "Glasrahmenleisten", jene von 25mm Breite als "Abschlußkranzleisten". Zusätzlich die im vorigen Absatz beschriebene Massivholzleiste aussuchen, die mindestens 45mm breit sein muß (Grund wird später erklärt). Außerdem eine Rolle Echtholzfurnier zum Aufbügeln kaufen.
2. Schritt: Furnieren der Glasrahmen
Unsere zugeschnitten gekauften Plattenstreifen von 18mm Breite, gesagtermaßen unsere "Glasrahmenleisten", sind logischerweise an den Schnittseiten unfurniert. Hier bügeln wir unser gekauftes Furnier auf. Überstehende Kanten mit Kantenschneider (In jedem Baumarkt) und Schleifpapier glätten. Durch das aufgebügelte Furnier haben nun alle Glasrahmenleisten den quadratischen Querschnitt von etwa 19mm x 19mm.
3. Schritt: Fräsen der Glasrahmen
Gemäß meiner Zeichnung A werden in die eben furnierten Glasrahmen Nuten von 4mm Breite (da soll unser 4mm dickes Glas hinein) und 5mm Tiefe gefräst. Für die Teile des Glasrahmens, die dann später direkt auf die Bodenplatte geleimt werden, genügt ein der beiden Nuten. Ich habe alle Fräsarbeiten mit einem Frästisch selbst erledigt; wie von Kai beschrieben macht dies aber auch ein Tischler.
4. Schritt: Umleimen der Grundplatte
Wir leimen unsere gekaufte Massivholzleiste gemäß Zeichnung 1 um die Grundplatte. Das geschieht so, daß sie an der Unterseite der Grundplatte etwa 5mm, an der Oberseite aber so weit übersteht, daß die später (Zeichnung 3) auf die Grundplatte aufzuleimenden Glasrahmenteile dahinter mehr als nur abgedeckt werden - so ergibt sich von außen ein sauberes, glattes Bild. Sollen später unter die Grundplatte Rollen geschraubt werden, muß unsere Massivholzleiste so breit seit, daß sie unten so weit übersteht, daß die Rollen zur besseren Optik weitgehend verdeckt werden.
Fortsetzung folgt in separatem Posting unten!
Gruß
Jürgen