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151

Sonntag, 5. Juni 2022, 12:27



Das sind lauter Vorstufen oder misslungene Abgüsse des großen Erkers und der Delphine. Ich habe sie natürlich nicht weggeworfen. (Bastler sind Menschen, die nichts wegwerfen!) Jetzt sind sie allesamt gestrichen worden und werden demnächst als Probeobjekte für verschiedene Alterungsmethoden dienen. Ich denke nämlich, dass ich die Alterungstechniken, die ich an meinen 1:150 Modellen anwende, nicht einfach auf dieses 1:30 Modell werde übertragen können. Ich habe mich auch bei Fachleuten umgehört und dabei unter anderem von einer Technik erfahren, bei der mit Farbpigmenten versetztes Bohnerwachs aufgetragen und gleich wieder abgewischt wird. Darauf bin ich besonders gespannt, verspricht dieses Verfahren doch, dem Untergrund einen „altmodischen“ Glanz zu verleihen.

Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

152

Montag, 6. Juni 2022, 14:27

Das erste Ergebnis meiner Alterungsversuche liegt bereits vor, aber es ist äußerst schwer fotografisch zu dokumentieren.
Das Verfahren: Farbpigmente Umbra Natur eingerührt in Rapid Medium von Schmincke, einer zähen Flüssigkeit, die die Trocknung von Ölfarben beschleunigt. Mehrere Versuche mit verschiedenen Anteilen von Pigmenten, bis eine mittlere Mischung vorlag. Damit habe ich die Ornamente gestrichen und überflüssige Farbe mit dem trockenen Pinsel gleich wiederweggenommen. Nach etwa einem Tag war die Ölfarbe bereitsangetrocknet. Daraufhin habe ich die Ornamente mit der Goldfarbe, die ich zur Grundierung benutzt habe, trockengemalt, so dass Spitzen und Kanten wieder hervortraten. Unten eine Gegenüberstellung und eine Detailaufnahme, die leider nicht so deutlich sind, wie ich mir das gewünscht hätte.








Mit dem Ergebnis bin ich schon recht zufrieden. Ein Überzug mit seidenmattem Klarlack könnte den Eindruck eventuell noch überzeugender machen.


Schmidt
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153

Donnerstag, 9. Juni 2022, 12:27

Nun bin ich nach wochenlanger Vorarbeit und etlichen Tests in den letzten Tagen endlich daran gegangen, den Rumpf der Staatenjacht zu altern. Es war ja von Anfang an mein Ziel, dem Modell etwas von der Aura und der Ausstrahlung alter Schiffsmodelle zu geben. Doch das ist ein schwieriges Unterfangen. Eigentlich müsste man eine Lehre als Bilderfälscher gemacht haben, um die richtigen Techniken anwenden zu können. Letzten Endes habe ich mich dafür entschieden, ganz ähnlich vorzugehen wie bei meinen kleinen Modellen. D.h., ich habe unverdünnte Ölfarbe (statt Vandyckbraun Umbra Natur) auf die Grün und Gold gestrichenen Teile bzw. Bereiche der Bordwand aufgetragen und dann gleich wieder mit Lappen, Watte oder Ohrstäbchen entfernt. Auf diese Art und Weise konnte ich Schatten in die Vertiefungen der Verzierungen legen, Schmutzkanten simulieren und eine gewisse Brechung des Chromoxidgrüns erreichen.
Der Vorgang und seine Ergebnisse sind äußerst schwer zu dokumentieren, insbesondere bei den goldenen Teilen, deren Restglanz meine kleine Digitalkamera vor große Probleme stellt. Ich zeige als erstes die Stirnwand der großen Kabine nach der Behandlung mit Ölfarbe.





Und hier der Bug, zuerst mit dem unbehandelten Löwen, dann mit dem behandelten sowie weiteren leicht gealterten Ornamenten.









Damit sind die Würfel über die angewendete Technik gefallen. In den nächsten Tagen werden alle anderen Teile ähnlich behandelt.
Schmidt
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154

Samstag, 11. Juni 2022, 18:16

Mit den folgenden Fotos verabschiedet sich
die Staatenjacht für die Zeit, die es braucht, damit alle Farbaufträge
ausreichend trocknen. Erst dann wird es mit der Herstellung der Takelage weitergehen.
Die Arbeit der Komplettierung des Rumpfes mit allen Anbauteilen und deren (mehr
oder weniger) endgültige farbliche Gestaltung ist mir in den letzten Tagen
recht leicht von der Hand gegangen. Große Katastrophen sind nicht passiert.
Außerdem soll das Modell ja eine gewisse historische Ausstrahlung bekommen, und
dazu gehören auch ein paar nicht ganz superkorrekte Trennkanten kann zwischen
verschiedenen Farben, uneinheitliche Farbtöne auf größeren Flächen, hier und da
ein Fleck oder ein Patzer oder Kratzer etc.


Unsere Gartenmauer ist als Hintergrund für
die Fotos sicher zu unruhig. Ich wollte aber endlich mal ein paar Aufnahmen mit
Tageslicht herstellen und zeigen. Sie geben meines Erachtens den tatsächlichen Eindruck
des Modells ganz gut wieder.




























Bis demnächst: Schmidt
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155

Samstag, 11. Juni 2022, 18:31

Moin Moin,

Wunderbare Aufnahmen :love: Danke für die Mühe, das Tageslicht zu nutzen :hand:

[…] verabschiedet sich die Staatenjacht […]
Möge es nicht zu lange werden...

Ingo
"Kein Kommandant geht fehl, wenn er sein Schiff neben das des Feindes legt"
Lord Nelson


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156

Samstag, 11. Juni 2022, 18:56

Servus
Farben bei Tageslicht sind die Besten und dein Modell kommt richtig gut rüber :love:
Sieht toll aus...
Im Entwurf, da zeigt sich das Talent, in der
Ausführung die Kunst! Wobei die
Schönheit liegt im Auge des Betrachters…


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157

Samstag, 11. Juni 2022, 19:14

Moin Burkhard,

ich muss gestehen es gefällt mir sehr gut! Ein hervorragendes Modell in seiner Ausführung. Hoffentlich springt da kein "Segelschiff-Bazillus" zu mir rüber.

LG


Armin

158

Freitag, 17. Juni 2022, 12:02

Ist es Zauberei? Eben noch ein mastloser Rumpf – und jetzt ein komplettes Segelschiff!



Nun, zaubern kann ich leider nicht, obwohl ich es gerne könnte, wenn es um die Takelage geht. Der sehr stark repetitive Charakter dieser Arbeit verträgt sich nicht gut mit meinem Temperament. Ich habe mir den Mast und die Segel vom Platzhaltermodell geborgt. Da der Rumpf der Staatenyacht mit einer röhrenförmigem Mastaufnahme versehen ist, ließ sich der abgesägte Mast des Stellvertreters leicht aufrichten und mit Wanten und Stagen befestigen. Hier der arme Stellvertreter während des chirurgischen Eingriffs.



Die Errichtung einer Ersatztakelage, die natürlich nur vorläufig sein soll, war allerdings ganz lehrreich. Sie zeigt mir, dass ich das beigegebene Segelmaterial und erst recht die daraus hergestellten Segel nicht verwenden sollte. Die Gründe dafür: die Segel sind zu steif, sie fallen nicht richtig, sie wirken nicht schwer. Im Maßstab 1:30 müsste man das besser hinkriegen können. Ich nehme ab sofort Hinweise auf geeignetes Segelmaterial dankend entgegen. Und ich werde mich nach jemandem umsehen müssen, der besser nähen kann als ich und der die entsprechenden Maschinen besitzt.




Hier noch zwei Aufnahmen vom Vorbildmodell in Amsterdam, die leider wegen der schlechten Beleuchtungsverhältnisse nicht richtig zeigen, dass die dortigen Segel viel natürlicher wirken.







Und was soll jetzt mit dem übel zugerichteten Stellvertreter passieren? Natürlich bin ich schon längst auf die Idee gekommen, ein zweites Modell anzufertigen, besitze ich doch von praktisch allen neuen Teilen Silikonformen. Aber ich war von Anfang an skeptisch. Ein Blick auf den Bug, die heikle Stelle, zeigt, dass der Erbauer des Modells so seine Schwierigkeiten gehabt hat. Womöglich hat er sich auch deshalb zu dem ungewöhnlichen Farbschema „Grün über alles“ entschieden.



Dennoch habe ich einmal mein Glück versucht. Im hinteren Bereich kam unter den Farbschichten eine ganz passable Oberfläche zum Vorschein.



Erker, Fisch und Ornamente passen ganz gut an ihre Plätze; mit etwas Anpassungsarbeit wäre natürlich zu rechnen.



Am Bug aber sieht es nicht so gut aus. Hier hat der Erbauer doch eine Menge Spachtelmasse benutzt. Ich fürchte, wenn ich eine harmonische Rundung schleifen will, könnte es Löcher geben. Denn leider besteht die Bordwand nur aus einer Lage nicht sehr dicken und leicht splitternden Mahagoniholzes.



Ich werde darüber nachdenken.

Schmidt
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159

Sonntag, 19. Juni 2022, 17:03

Immer wieder für eine großartige Überraschung gut !
Die Erste wurde noch als Brandopfer dargebracht … die Zweite, bei allen Widrigkeiten und mit Leihtakelage, schon als fast fertiges Meisterstück …
und jetzt eine beginnende Serienproduktion …

Wenn der Rumpf allgemein so akzeptabel ist, wie du das beschreibst, dann sollte doch dem weiteren Exemplar nichts entgegenstehen.
Falls am Bug eben wieder etwas Spachtel gebraucht würde, dann spricht doch nichts gegen eine leichte Farbvariation …

Oder wie wärs mit einer einer netten Zweitbeplankung ? Die sollte bei der Größe ohnehin kaum merkbar auftragen.
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

"When all else fails ... Read the instructions" ( LINDBERG 1965 )

Youth, talent, hard work, and enthusiasm are no match for old age and treachery !
( In memoriam Prof. John A. Tilley, † 20.07.2017 )

160

Montag, 20. Juni 2022, 11:26

Markus, wie schön, wieder mal von dir zu hören!
Ich habe in letzter Zeit deine aufmunternd-kenntnisreichen Kommentare zu meinen Arbeiten und denen anderer schmerzlich vermisst.
Die Möglichkeit einer zweiten Beplankung werde ich ernsthaft in Betracht ziehen. Sie trägt ja nun wirklich nicht auf.
Schmidt
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161

Montag, 27. Juni 2022, 11:13

Wieder sieht es so aus, als hätte die Staatenjacht eine neue komplette Takelage, und wieder stimmt es nur zur Hälfte. Ich habe in den letzten Tagen versucht, einen Plan des stehenden und laufenden Gutes zu entwerfen, wie es dem Original möglichst ähnlich sein könnte. Das war und ist nicht einfach, denn die Fotos aus dem Museum in Amsterdam geben keinen genauen Aufschluss über den Verlauf der Taue, und genauso wenig tun das die Fotos, die das Museum selbst veröffentlicht hat. Nun ist die Takelage eines einmastigen Fahrzeugs nicht unbedingt ein Buch mit sieben Siegeln, aber im Detail gibt es doch viele Fragen. Ich habe mich deshalb entschlossen, zunächst einmal eine „Entwurfstakelage" aufzubauen, um daran zu kontrollieren, wo die einzelnen Blöcke positioniert sein müssen, wo die Taue belegt werden können und – sehr wichtig! – welche genauen Maße die Segel haben sollten. Dabei habe ich auch auf andere Modelle von Statenjachten aus dieser Zeit zurückgegriffen, zu denen es bereits bedeutende Forschungen gibt, wie zum Beispiel zur „Utrecht“, deren Vorbild aus der selben Zeit datiert wie das Amsterdamer Modell. Leider habe ich ein helles Garn für den Entwurf verwendet, das man auf dem Foto unten kaum erkennen kann.



Die Taue sind nicht belegt, sondern werden nur mit Klammern straff gehalten, um zum Beispiel die Höhe der Gaffelklaue und den Winkel der Gaffel so lange problemlos verstellen zu können, bis die endgültige Position aller Befestigungspunkte festgelegt ist.



Gemäß dieses Entwurfs werde ich mich nun zuerst an das stehende Gut machen.
Und dann noch ein historischer Nachtrag. Ich hatte mich an den großen Schifffahrtshistoriker Ab Hoving mit der Frage gewandt, ob er etwas mehr über das Amsterdamer Modell wisse. In seinem Buch über die Utrecht hatte er ein offenbar älteres (schwarz-weiß) Foto des Modells abdrucken lassen. Er schrieb mir dann, dass solche Modelle keineswegs nur Spielzeug für Kinder gewesen sein. Tatsächlich habe man im achtzehnten Jahrhundert ganze Seeschlachten mit großformatigen Modellen auf Teichen und Weihern veranstaltet, wobei die Schiffe sogar „funktionierende“ Geschütze gehabt haben. Außerdem verwies er mich an ein des niederländischen Schifffahrtshistorikers Gottfried Crone aus dem Jahr 1926, das der Vielzahl kleinerer holländischer Küsten-und Binnenschiffe des 17. und 18. Jahrhunderts gewidmet ist. Dort findet sich das besagte Schwarzweiß Foto. Zusammen mit dem beigegebenen Text beweist es, dass eine Restaurierung des offenbar schwer beschädigten Modells bereits vor 1926 stattgefunden hat; mit anderen Worten: Auch der heutige Zustand des Modells kann bereits als historisch gelten.
Das besagte Foto kann ich verlinken, ohne Rechte zu verletzen. Es handelt sich um Abbildung vier.

https://www.ssrp.nl/publicaties/biblioth…177/platen-1-66


Den relevanten Teil aus der Beschreibung des Modells im Textteil habe ich übersetzt:

Staatenjacht erste Hälfte des 18. Jahrhunderts
Tafel 4
Hier sehen wir ein Fahrzeug der Art, wie sie im 18. Jahrhundert ähnlichen Fahrzeugen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachgefolgt ist. Beim Vergleich mit der Jacht von Tafel 1 und 1a bemerken wir, dass der Rumpf etwas schlanker ist, es existiert kein erhöhtes Steuerdeck, und die Ornamente orientieren sich am Zeitgeschmack. Dieses Modell ist eins von zwei vollkommen gleichen, die beide dem niederländischen historischen Schifffahrtsmuseum gehören. Das abgebildete stammt aus dem Nachlass von W. Six aus Hilversum, das andere, datiert 1736, war einige Jahre in meinem Besitz und stammte aus Friesland. Beide sind unverkennbar vom selben Modellbauer hergestellt und haben gleiche Abmessungen, nur in den Ornamenten unterscheiden sie sich, wobei das hier abgebildete stilreiner ist.
Der Rumpf war in einem verfallenen Zustand, wahrscheinlich eine Folge des Umstandes, dass das Modell als „Weiherschiffchen“ Dienst getan hat, auch war nichts von der Takelage erhalten, die Bemalung und die vergoldeten Ornamente waren hingegen in gutem Zustand, so dass die Restaurierung, die vom Museum durchgeführt wurde, sich auf Reparaturen am Kiel und eine neue Takelung beschränken konnte. Dazu machte der Direktor Gebrauch von den genauen Daten aus dem schiffsbautechnischen Archiv der [Schiffbauer]Familie van Zwijndregt [aus Rotterdam], die dem Museum von einem Nachkommen geschenkt worden war.


Mit anderen Worten: Es hat so etwas wie eine Serienproduktion gegeben. Nach Auskunft von Ab Hoving weiß man allerdings nichts über entsprechende Werkstätten. Außerdem scheint es so, als seien die Ornamente tatsächlich vergoldet gewesen.


Schmidt
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162

Montag, 27. Juni 2022, 12:28

Danke für die Info!

Zitat

Auch der heutige Zustand des Modells kann bereits als historisch gelten.

Ist das nicht tröstlich? Modellbau läßt normale Menschen so Teil der Geschichte werden. :prost: Und noch in vielen Jahren die kommen werden, werden Hohelieder auf längst Verstorbene gesungen werden.

Gruß

Joerg

163

Mittwoch, 29. Juni 2022, 13:35

Es sage bitte niemand, die Arbeit an einem
Modell im großen Maßstab sei einfacher als die an einem kleinen. Gut, wessen
Augen nicht mehr die allerbesten sind, der hat vielleicht mit Modellen in 1:150
Probleme, wenn es in die Details geht. Aber ich habe in den letzten Wochen die
ziemlich schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass auch große Modelle, an
denen man „alles ganz leicht erkennen kann“, ihre Tücken haben. Sie brauchen
sehr viel Platz, nach einer halben Stunde ist die Werkbank Handbreit hoch mit
Werkzeugen und Materialien überfüllt, Farbe rührt man nicht mehr in Töpfchen,
sondern in Eimern an, für großflächige Verklebungen braucht man eine Menge
spezieller Vorrichtungen usw. usw. groß eines der vielen Probleme, die ich noch
nicht kannte, ist jetzt aufgetaucht. Meine kleinen Modelle kann ich abends
leicht mit zum Fernsehen ins Wohnzimmer oder zum Abendbrot im Esszimmer nehmen.
Ich stelle sie dann in verschiedenen Entfernungen und für verschiedene
Betrachtungswinkel auf, schaue immer mal wieder hin – und sehe dabei Dinge und
Umstände, die ich im Bastelkeller nicht gesehen habe. Irgendein Schwung stimmt
nicht, ein Übergang, eine Ornamentenlinie, eine Farbe usw. usw. Meine Staatenjacht
aber habe ich jetzt ein halbes Jahr lang immer nur aus der nahen Distanz und
mit dem Blick von schräg oben gesehen. Was daher folgerichtig passieren musste:
Nach ein paar Tagen mit ihrer Probetakelage auf dem Kamin im Wohnzimmer mir
etwas auf: Der Abstand zwischen den beiden Barkhölzern ist etwas zu groß.


Ich weiß, der Billing Rumpf hat etwas andere
Dimensionen als der des Vorbilds in Amsterdam. Aber um eine historische Superrichtigkeit
ist es mir nie gegangen, dagegen aber durchaus um eine weitgehende Ähnlichkeit
in der Anmutung. Was konnte ich jetzt tun? Das untere Barkholz wegnehmen und
versetzen? Das hätte womöglich den Rumpf stark beschädigt, auf jeden Fall aber
die Architektur der Ornamentik am Heck durcheinandergebracht. Nach eingehender
Betrachtung der Vorbildfotos habe ich mich schließlich dazu entschieden, das
untere Barkholz und zwei Millimeter zu verbreitern. Auch im Original ist es
signifikant breiter als das obere, optisch rutscht es damit nach oben. Ich habe
die Verbreiterung mit einer Biegeleiste von zwei Millimeter Kantenlänge bewerkstelligt,
weitestgehend ohne Kollateralschäden. (Im Nachhinein habe ich mich über meine
eigene Tollkühnheit gewundert. Aber ihr kennt das: man kann nicht weiterbauen,
wenn etwas stört.)


Hier wird die schmale angesetzte Leiste mit
dem bestehenden Barkholz verspachtelt.











Hier noch einmal Vorbild, erste Fassung und
zweite Fassung. Es fehlt noch die Nagelung und eine abschließende
Farbbehandlung.

















Mir ist klar, dass beim Amsterdamer Modell
die Wasserlinie tiefer liegt – aber ich weiß nicht, ob ich mich auch da noch
einmal ran trauen soll. Ich fürchte, dass nach einem partiellen Abschliff weiße
Farbe in den feinen Rillen des Beplankungsholzes verbleiben und dort nicht mehr
entfernt werden könnte.


Schmidt
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164

Mittwoch, 29. Juni 2022, 14:31

Lieber Schmidt,

Tut mir echt leid, dass jetzt schreiben zu müssen, aber durch die direkte Gegenüberstellung von Vorbild und deinem Modell ist es mir auf einmal so richtig unwiderruflich aufgefallen...

...ich hoffe, du zürnst meiner dafür nicht allzu lange...

...aber...

...das mit der "weitgehenden Ähnlichkeit in der Anmutung" wird wohl nix mehr...

...deines sieht einfach schon viel besser aus :D

Immer eine Freude hier reinzuschauen, weiter so!
LG,
Mathias

165

Mittwoch, 29. Juni 2022, 14:54

Puuuh! Schock gelungen.
Schmidt
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166

Mittwoch, 29. Juni 2022, 20:43

Moin,

viel zu selten melde ich mich in deinen Bauberichten zu Wort, dafür eine aufrichtige Entschuldigung, aber heute kann ich nicht anders ...
Als ich angefangen habe den Post von Mathias zu lesen, gingen mir Sätze wie diese durch den Kopf ...

"Wovon redet er?", "Echt jetzt?" , "Was stimmt nicht mit seinen Augen?"

Als ich am Ende angelangt war, musste ich schmunzeln und dachte bei mir: "Typisch britischer Humor!" 8)

Diese beiden Sätze möchte ich gerne dick unterstreichen:

"[..]deines sieht einfach schon viel besser aus :D
Immer eine Freude hier reinzuschauen, weiter so!
[..]"

Ingo
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Liste meiner Modellbau-Projekte im Portfolio

167

Sonntag, 3. Juli 2022, 13:55

Zunächst einmal herzlichen Dank für die netten Kommentare, über die ich mich sehr gefreut habe!

Die Verbreiterung der unteren Barkhölzer hat mich jetzt ziemlich zurückgeworfen. Zudem muss ich leider feststellen, dass es immer noch Baustellen am Modell gibt, die ich bislang vernachlässigt habe. Es beginnt mit der Mastspitze, die am Original ein kunstvolles Teil ist, vermutlich auf einer Drehbank hergestellt. So eine besitze ich nicht, und meine Versuche mit der Bohrmaschine sind kläglich gescheitert.




Also bin ich einen anderen Weg gegangen, habe im Bastelgeschäft Perlen in verschiedenen Größen gekauft und sie auf einen stabilen Draht gefädelt. Das sah erstmal furchtbar aus.





Aber ich habe mich nicht abschrecken lassen, habe die Übergänge etwas verspachtelt und eine Spitze geformt. Ganz in Gold kann das Teil vielleicht wenigstens so lange Dienst tun, bis mir jemand anderes etwas Schöneres auf der Drehbank herstellt.





Dann ging es an die Blöcke. Bei dem großen Maßstab sollten sich schon ein bisschen detaillierter sein, als ich es ansonsten gewohnt bin. Der erste Versuch mit einem Serienprodukt hat mir nicht gefallen. Zu eckig, der Haken aus verdrillertem Draht zu dick.





Hier das gleiche Ausgangsprodukt, etwas runder geschliffen und abgegossen. Der Haken ist separat eingesetzt. Sicherlich besser – aber





– nicht das Gelbe vom Ei. Hier nun das Urmodell einer Blockhälfte, das ich nach einem Foto von Originalteilen aus dem Buch über die (zeitgleiche) „Utrecht“ hergestellt habe. Ich denk an eine Serienproduktion von Halbfertigteilen. Mal sehen, ob das gelingt.





Und hier schließlich noch ein Ratebild: Wer erkennt das fehlende Teil? Richtig, es ist tatsächlich das Tierornament an Steuerbord, durch das das Ankertau läuft. Selten, vielleicht nie zuvor, habe ich ein dermaßen großes Teil auf einer Fläche von zwei Quadratmetern in der Werkstatt verloren, ohne dass es sich nach mehrfacher intensiver Suche wiederfinden ließ. Und lustig: Es ist eines der ganz wenigen Teile, von denen ich keine Form hergestellt habe.





Schmidt wünscht noch einen schönen, sonnigen Sonntag

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Beiträge: 79

Realname: Armin

Wohnort: Reichenau

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168

Sonntag, 3. Juli 2022, 19:50

Moin Schmidt,

gut gelöst und mit einfachen Mitteln sehr gut umgesetzt. Das ist Modellbau wie er mir gefällt. Das mit dem verloren gegangenen Teil kenne ich auch. Es ist bei mir immer das Teil, das nur mit großem Aufwand wieder herzustellen ist. Aber auch das scheint irgendwie zu unserem Hobby zu gehören.

Je länger ich deinen Baubericht verfolge um so mehr bekomme ich Lust auch mal etwas mit Segeln zu bauen.

LG


Armin

169

Montag, 4. Juli 2022, 15:54

Es war wohl doch keine gute Idee, sich bei den Blöcken am Vorbild der Utrecht zu orientieren. Die Blöcke am Amsterdamer Modell sind einfacher konstruiert. Ich habe doch noch ein paar gute Fotos gefunden.





Weiß jemand, ob es Blöcke in dieser Form von irgendeinem gewerblichen Anbieter gibt? Das würde mir sehr helfen. Danke.
Schmidt
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170

Mittwoch, 13. Juli 2022, 11:24

Hier noch immer Materialbeschaffungspause (und auch ein bisschen Verschnaufpause von diesem wahrhaft großen Projekt).





Gestern ist ein echtes Highlight eingetroffen, das korrekterweise auch ganz oben sitzen wird. Modellbaukollege Frank hat mir aus eigenen Stücken zwei Mastspitzen aus Messing gedreht, die mein Perlenexemplar überdeutlich in den Schatten stellen. Nun wird auf der Spitze meines Modells etwas sitzen, das alle Blicke anziehen und dabei so perfekt sein wird, dass es von meinen Schlampigkeiten und Kompromissen weiter unten erfolgreich ablenken wird.
Mein ganz herzlichen Dank dafür! Hoffentlich kann ich mich angemessen revanchieren.
Schmidt
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171

Freitag, 15. Juli 2022, 14:54

Ich brauche jetzt die Hilfe der Takelexperten in diesem Forum. Die Blöcke, die ich mir aus Kanada bestellt habe (Dry-Dock-Models) sind eingetroffen. Zur Kostenfrage vielleicht an anderer Stelle. So sehen sie aus. Man könnte fast vermuten, dass Rollen darin stecken.








Von der Gestalt her passen Sie zum Modell. Aber was ist mit der Größe? Die größten, die man bekommen kann, sind 8 Millimeter lang. Bei dem Maßstab, den ich für das Modell ermittelt habe (ca 1:30), wären das im Original etwa 25 Zentimeter. Ist das o. k.?
Ich habe natürlich versucht zu ermitteln, wie groß die Blöcke am Amsterdamer Modell sind. Aber das ist mir anhand der Fotos nicht gelungen.
Danke für eure Kommentare und Einschätzungen.
Schmidt
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172

Freitag, 15. Juli 2022, 19:38

Ich bin für mein nächstes Projekt gerade bei Jaeger am Recherchieren, 8 mm wird knapp werden

Der längste Block (ohne Beschlag) ist bei Jaeger der Piekfallblock in 1:24,2 = 16 mm, einige andere haben 14 mm und 11 mm, das wären in 1:30 etwa 13, 11 bzw. 8,8 mm

Anbei ein Auszug aller Blöcke mit Maßen in 1:24,2 nach Jaeger



a Juffer Fockstag
b Juffer loser Stag
c2 Stengestag
d Juffern Wanten
d1 Juffern Pardune
f1 Backstag, Läufer, obere Violine
c1 Backstag, Läufer, unterter Block
g1 Klaufall, oberer Block
g2 Klaufall, unterer Block
h1 Gaffeltalje, oberer Block
h2 Gaffeltalje, unterer Block
i1 Piekfall
f2 Geeren,achtern, Läufer, obere Violine
k1 Geeren, achtern, unterer Block
f3 Geeren, Läufer, vorn, obere Violine
k2 Geeren, vorn, unterer Block
c3 Bagienfall
f3 Bagienrahfall, Läufer, Niederholer
l1 Bagienfall, Läufer, Niederholer, unterer Block
kk Toprahfall, Jolle
h1 Gaffelsegelschot, oberer Block
n Gaffeltalje, unterer Block
o1, o2 Gaffelsegel, Halstalje
p1 Dempgording und oberes Geitau
q Dempgording und oberes Geitau
p2 unteres Geitau
l2 Topsegelschot
l2 Topsegelbulins
r Stagfockfall
t1 Stagfockschot
c2 Klüverfockfall
e,o2 Schwertaufholer
Gruß, Andreas

173

Samstag, 16. Juli 2022, 15:17

Vielen Dank für die Informationen!
Ich habe mir jetzt schon diverse Wolfsrudel gerechnet, komme aber immer zu dem selben ernüchternden Ergebnis, dass ich meine schönen (und teuren) kanadischen acht Millimeter Blöcke allenfalls für die kleinsten Exemplare am Modell verwenden kann. Da werde ich mir etwas einfallen lassen müssen.
Schmidt
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