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Guten Abend allerseits,
ich weiß, ich habe lange nichts von mir hören lassen, aber ich hatte erstens wenig Zeit und zweitens schlage ich mich seit mehreren
Wochen mit einem Problem herum, das es zunächst historisch und dann bautechnisch zu lösen galt.
Es dreht sich dabei um die Ausführung einer einzigen Jungfer / Blocks / Doodshofd
Spätestens jetzt werden mich auch die letzten Zweifler in die Reihen der Wahnsinnigen hier einreihen, aber was wurde in den Foren
bei der Soleil Royal nicht schon alles geschrieben, vermutet, verworfen, interpretiert, analysiert etc. etc….
Wenn ich meine Hausaufgaben in Sachen Recherche in den Foren richtig gemacht habe, dann ist das nachfolgende Thema noch nie aufge-
arbeitet worden, aber ich denke, ich habe einen Lösungsweg gefunden.
Auch ich habe letzten Endes keine „eindeutigen Beweise“, aber werde die Quellen bzw. das, was ich herausgefunden zu haben glaube
hier angeben, damit entweder sauber dagegen argumentiert werden kann, oder andere SR Geschädigte ein erstes „Basislager“ auf dem
Weg zum Berggipfel vorfinden.
Kapitel I Bugspriet, Titel I Takelung Pos 1. Anbindung des Fockstags
Zur Festsetzung des Fockstags an den Bugspriet mittels Talje sind neben dem Läufer (Tau der Talje, Flaschenzug) im Prinzip zwei weitere
Bauteile erforderlich. Die „Flasche“ und deren Anbindung an den Mast.
Für die „Flasche“ kommen nach Anderson und Marquardt prinzipiell drei Möglichkeiten in Frage:
1. Jungfer
2. Block
3. Doodshofd
Was gilt jetzt ?....Oder besser….. WANN galt welche Ausführung als die Richtige ?
Und dann ergießen sich die Herren der schreibenden Zunft nur noch in eine Aneinanderreihung von Konjunktiven wie anscheinend… es
könnte sein dass,.. wahrscheinlich ist…..und alles ohne Quellenangaben…
Also nichts Genaues weiß man nicht….
Dann rollen wir das Ganze eben vom anderen Ende her auf, d.h. Quellen ausfindig zu machen, die zeitlich und historisch „am ehesten“ an
der Soleil Royal von 1669 dran sind.
Das wären meiner Einschätzung nach:
1. Das Album von Colbert von ca. 1670 bis 1677
2. Die (wenigen) Ausführungen von Jean Boudriot zu den Fregatten dieser Zeit
3. Pierre Arnoul „Description du Vaisseau Le Royal Louis” von 1677
4. Das Schiffsmodell der Louis Quinze von 1720 bzz. 1725 im Pariser Museum
5. Edmund Paris und seinen Segelkriegsschiffen des 17. Jahrhunderts
6. Fotoaufnahmen von Museumsschiffen die zeitlich zur SR passen.
7. Eigene Überlegungen, auch in konstruktiv statischer Hinsicht
Nun denn,
Zu 1. Album von Colbert:
Ich habe inzwischen den Band „im Original“ und die Pläne sind äußerst detailreich angelegt. Auf manchen Plänen werden dort auch
Flaschenzüge mit den Läufern dargestellt, auf anderen Plänen wird nicht so exakt darauf eingegangen. Die Pläne wurden übrigens
meiner Ansicht nach von verschiedenen Leuten angefertigt. Wenn man sich alle Pläne sorgfältig anschaut ist dies leicht festzustellen.
Auf keinem der Pläne ist aber zweifelsfrei zu erkennen, ob es sich nun bei der Festsetzung des Fockstags um große Jungfern
handelt, oder um große Blöcke. Doodshofden kann man ausschließen, passt weder in die Zeit der SR, noch in die kontinentale
Bauweise. Dennoch ist auffällig, dass trotz des Detailreichtums der sich in den Plänen wiederfindet, man sich zu diesem Thema
dort sehr zurückgehalten hat.
Zumindest klärt das Album von Colbert aber die Art der Anbindung der „Flasche“ an den Bugspriet. Auf Plan Nr. 47 ist sehr schön
in der Schnittzeichnung zu sehen, dass die „Flasche“ (noch nenne ich das gute Stück so, da ja noch offen ist, was es nun
endgültig wird) durch einen Doppelstropp am Bugspriet befestigt wird. Diese Art der Anbindung wurde vor allem bei hochbelasteten
Blöcken verwendet, was ja auf die Festsetzung des Fockstags zutreffen würde.
Zu 2. Jean Boudriot:
Hier gibt es mehrere Bände des Herrn, der sich insbesondere mit den französischen Fregatten auseinandersetzt, aber auch einiges
zu französischen Dreideckern zum Besten gibt. Hauptsächlich handelt er das 17. und 18. Jahrhundert ab, aber Obacht, es werden
auch mehrere Fregatten zwischen 1640 und 1690 erwähnt, so dass man dessen Bände nie außer Acht lassen sollte. Fündig wurde ich
aber dort bezüglich des Focktags zu passender Zeit der SR allerdings nicht.
Zu 3. Pierre Arnoul:
Bei dieser Abhandlung handelt es sich um das „Schwesterschiff“ der SR, also um die „Royal Louis 1668“ mit zwei wunderschönen
Zeichnungen, die meines Erachtens als Planvorlage noch am dichtesten an der Royal Louis und damit auch an der SR dran sind.
Freilich wurden die Schiffe an unterschiedlichen Standorten gebaut und trugen damit natürlich beim Bau auch die lokale
„Handschrift“ der dortigen Baumeister.
Wer übrigens glaubt, dass damals die Schiffe genau so gebaut wurden, wie meist auf den Plänen dagestellt, ist selber schuld.
Das mal an die Adresse der anderen Detailverrückten, das man es auch damit übertreiben kann.
Zurück zum Thema: Wer sich für Zeichnungen etc. interessiert, die noch zeitlich am besten zur SR und der Royal Louis passen,
kommt an diesem Buch nicht vorbei.
…Ihr ahnt es….
..leider war aber auch in den dortigen Stichen nichts Genaues festzustellen, ob nun Jungfern oder Blöcke zum Einsatz kamen.
Und wenn Blöcke, welche Blöcke ? Dreischeibenblöcke ? Andere ?... einfacher wird’s nicht…
Zu 4. Das Schiffsmodell der Royal Quinze von 1720 bzz. 1725 im Pariser Museum:
Ist schon ein wunderschönes Modell, aber eben auch rund 50 Jahre nach dem Bau der SR angefertigt und damit schon ein halbes
Jahrhundert weit entfernt.
Dennoch, dort sind bei der Fockstag große Blöcke mit fünf Löchern also keine Dreischeibenblöcke oder Jungfern zu sehen. Ein
erster Lichtblick. Die Konstruktion ist sicherlich einfacher als ein Mehrscheibenblock, aber da zumindest noch 1720 dargestellt
ist es sehr wahrscheinlich, dass ein halbes Jahrhundert früher auch mit einem Fünferblock gearbeitet wurde.
Hier zum Beispiel eine Aufnahme der holländischen Batavia und der dortigen Ausführung.
ZU 5. Edmund Paris und seinen Segelkriegsschiffen des 17. Jahrhunderts:
In diesem „Werk“, ich nenne es gern „ein Kessel Buntes“, das man meiner Einschätzung nach nicht überbewerten darf, da
hier „zeitlich spät“ alles Mögliche zusammengetragen wurde ist (oh Wunder) auch von einem „zylindrischen fünfscheibigen
Block“ zur Festsetzung des Fockstags bei der Royal Louis (welche ?) die Rede. Dies ist auch die Ausführung bei dem Modell
von 1720 und wahrscheinlich von dort entlehnt. Mir liegt nur die deutsche Fassung davon vor, aber um einen fünfscheibigen
Block handelt es sich dort in keinster Weise, wie auch auf der dortigen Detailzeichnung festzustellen. Entweder schlampig
übersetzt oder…however…. Es dürfte sich damit um die gleiche Quelle handeln und nur, weil sich das eine an dem anderen
orientiert, wird es nicht historisch belastbarer.
Zu 6. Fotoaufnahmen von Museumsschiffen die zeitlich zur SR passen.
Da kann ich nur den Tipp geben sich im Netz umzuschauen, nur lasst die Neptun aus dem Spiel, schönes Schiff aber…… Die
Batavia gibt zum Beispiel da mehr her, wenn auch deutlich vor der SR gebaut…Einige russische Schiffe aus dieser Zeit auch…
Zu 7. Eigene Überlegungen, auch in konstruktiv statischer Hinsicht:
Die Batavia von 1628 sowie das Modell der Royal Quinze von 1720/25 zeigen beide große einfache Fünferblöcke, die wie die
Jungfern in die Wanten in gleicher Weise eingebunden wurden.
Durch das Prinzip des Flaschenzuges erhöht sich zudem bei einem Fünferblock die Kraftwirkung gegenüber einem dreischeibigen
Block ungemein, die für die Steifsetzung des Taljereeps aber auch erforderlich ist.
Ergo kommt für mich und der SR zur Anbindung des Fockstags nur ein Fünferblock in Frage und damit ist zumindest für mich endlich
klar, was zu tun ist.
…Nur, was ist zu tun ? Wo bestelle ich jetzt einen Fünfer-Einfachblock ?
Nirgends, gibt es nicht, also selber bauen… Also einen 5 mm Holzstab aufgetrieben, zurechtgeschnitten, an beiden Seiten etwas
mit der Feile bearbeitet, eingespannt, fünf Löcher mit dem Handdbohrer gebohrt, Takelgarn durchgezogen und probehalber das
Ganze begutachtet, das ist übrigens ein Dummy, nur warum viel Arbeit hineinstecken, wenn es doch nicht funktioniert ? Also das
ist ein VERSUCHSTEIL und kein fertiges Stück.
Das ist jetzt ein 5 mm Einfachblock mit fünf Löchern. Die Löcher sitzen noch an der falschen Stelle, aber es ist bis jetzt nur ein einfacher "Holzklotz". In diese Richtung werde ich jetzt wenn Zeit ist weiterarbeiten.
Bis demnächst und beste Grüße
Bernd