Männers, ihr habt mich ins Schwitzen gebracht.
Da ich das Buch hier habe - und einladenderweise auch das Bügelbrett vor dem Regal stand - musste ich gleich mal die Seiten aufschlagen und meiner "Lesefähigkeiten" von technischen Zeichnungen austesten. Ich sollte hier dazu sagen, dass ich zwar Konstruktion gelernt habe - aber das Zeichnen eigentlich nur ganz die ersten Jahre selber machen musste. .. und eigentlich da schon gern die Kollegen im Messraum Voerde (Menzolit Fibron in Voerde) gefragt habe, weil die wirklich viiiiel besser über das Interpretieren von Zeichnungen und das "gute" Darstellen von komplexen Dingen bescheid wussten (und auch gleich noch die messgerechte Darstellung vorgeben konnten9.. Die waren sogar besser, als meine erfahrenen Konstruktionskollegen hier vor Ort. Vermutlich, weil sie ja diejenigen waren, die sich mit dem theoretischen Gedankengut der Konstrukteure (denen es ja hauptsächlich um die Funktion des Bauteils geht, und wie man das dem End-Kunden verdeutlicht - nicht darum, wie man das dann auch messen kann - und JA: das ist natürlich ein Fehler und nur der halbe Job!!). Na jedenfalls konnten die mir komplizierte Dinge so erklären, dass ich (meist) hinterher sowohl meine Funktion als auch dessen messtechnische Ermittlung vernünftig darstellen konnte. Sollte einer der Kollegen aus Voerde hier im Forum sein: ganz liebe Grüße und auch auf diesem Weg vielen Dank für die so häufige fachliche und professionelle Hilfe!!!
"Eigentlich" gibt es bei (guten) technischen Zeichnungen keinen "Interpretationsspielraum". Das Zauberwort ist "gut".
Ich vermute (ich interpretiere .. also scheint dich Zeichnung nicht wirklich perfekt zu sein - ODER aber ich bin tatsächlich doch wieder nicht voll im Bilde .. wo ist Herr Hibbeln?) .. aber ich glaube, dass Norbert richtig liegt:
Indiz 1:
S. 66 unten sind die Line Drawings ..die untere der Seitenschnitt. Da sind die Decksverläufe schiffmittig mit Strichpunktierten Linien dargestellt. Im Bereich der Kuhl ist - mittig ! - kein Deck - also keine strichpunktierte Linie.
Was man aber gut erkennen kann: das Achterdeck ist leicht oberhalb der Aussparung der Kuhl-Reling. Das Vordeck aber fast genau auf dieser Kante des Kuhl-Ausparung in der Reling. Das deutet auf einen kleinen Sprung im Deck.
Indiz 2:
S. 65 unten: "Interior Profile" - auch hier ist das Deck - diesmal im Schnitt - dargestellt - und auch hier ist im Bereich der Kuhl natürlich kein Deck erkennbar. Was man aber auch hier wieder sieht: das Deck des Vordeck (mittig geschnitten) ist etwa auf der Höhe des in der Ansicht dahinter liegenden oberen Ende oberen Seitekante der Bordwand im Kuhlbereich. Da das Deck eine Wölbung hat (in der Mitte etwas höher, damit das Wasser immer seitlich abläuft), ist die Beplankung der beiden Gangways rechts und links der Kuhl (die ja in der Tat eine Verlängerung des Vordecks sind) nicht sichtbar. Man erkennt daran, dass diese Gangways ein wenig unterhalb der Oberkante der Bordwand im Kuhlbereich sein müssen.
Aber ziemlich gut zu erkennen ist, dass das Achterdeck wieder etwas höher ist, als die dahinter befindliche Oberkant der Kuhl-Bordwand - und damit auch etwas Höher als das vorne (auf etwa gleichem Niveau befindlichen) Vordecks.
Indiz 3:
S. 66 Oben "Complete Plan View". Der Zeichner hat ganz klar eine gerade Kante von Bordwand zu Bordwand gezeichnet (Roter Pfeil in Norberts Scan) - die in exakter Verlängerung des achteren Endes der Kuhl auch über die Planken bis nach Aussen verläuft. Bis die Linie auf der Oberkante der Bordwand stopt. DAS ist eine Kante. Hier gibt es offenbar eine real existierende "Trennung" zwischen Achterdeck und Gangway/Vordeck. Die Stufe ist interessanterweise HINTER der Rehling des Achterdecks zur Kuhl. Sie ist im Plan oben HINTER der angedeuteten Schnittlinie und unten VOR ihr.
Ich glaube aus den Skizze zu sehen, dass Norbert das auch so interpretiert - das Bild vom Modell, das Du als Beleg eingestellt hast, Norbert, zeigt das aber falsch - denn hier ist die Stufe in einer Linie mit dem Balken, der die Reling zur Kuhl trägt.
Indiz 4:
S. 67 oben "Quarderdeck" und "Forcastle".. auch hier ist ganz klar eine durchgezogene Linie (also eine Kante) HINTER dem Relings-"Balken" an am achteren Ende der Kuhl, die über das Deck (die Gangways) hinweg bis zur Bordwand führt.
Kritik 1:
die gestrichelte Linie der "Gangway" - das eigentlichen Schnittes durch das Vordeck - die man im Querschnitt auf der rechten Seite (Backbord) erkennt, ist nach meinem Verständnis ein Fehler. Hier hätte der Zeichner tatsächlich die Planken der Gangway/das Vordecks neben der Kuhl schneiden müssen und also sowohl die Planken als auch echte Kanten darstellen müssen. Dass man dahinter dann - quasi in der Ansicht - scheinbar "gleiche" Decksplanken wir auf der anderen Seite sieht, wäre unterscheidbar, wenn, wie Titto es erwähnt, die Schnitte fester Bestandteile tatsächlich auch eine Schraffur hätten. Das ist der zweite "Fehler", der aber wohl begründet ist in der Druckqualität und Größe (oder besser "Kleine") der Darstellungen in einem Buch. Schraffierte Rechtecke dieser Größe wären einfach nur noch schwarz und man würde keine Außenkanten z.B. zwischen den Planken mehr erkennen.
"Kritik" 2:
Norbert, Du hast in Deinen Skizzen unter diesen Balken, der die Reling abstützt, massive Stützen gesetzt. Die kann ich im Plan nicht sehen. Sie wären in den Darstellungen S. 67 als Rechteck zu erkennen. Du siehst im Lower Deck hinter dem Hauptmast die beiden Balken, die bis zum Oberdeck die Belegbank hinter dem Mast abstützt. Wären vor dem Mast ähnliche Abstützungen unter dem Achterdeck, wären diese im "Upper Deck" als Rechtecke sichtbar. Da ist aber nur was hinter dem Mast.
Kritik 3:
Struckturelle Schwächung, Titto?
Ja, das könnte man annehmen, dass wenn man eine solche Stufe in das Deck baut, man damit ja die Längssteifigkeit des Decks maßgeblich verändert. Tatsächlich ist ja aber auch die Öffnung der Kuhl schon ein solcher Steifigkeitssprung. Da die Planken aber sowies nicht "verzahnt" sind (wie beim Deck der Constitution), ist die Längssteifgkeit des Decks vor allem über das Zusammenspiel und die Kraftübertragung über die Decksplanken und die quer dazu liegenden Decksbalken, in die die Planken über Dübel festgesetzt sind dargestellt. Das Ganze ist über diese Länge schon eher "weich" und es ist die Frage, ob der kleine Sprung in der Höhe des Decks viel an Steifigkeit verliert. Wie gesagt: direkt vor diesem Balken klafft sowieso ein riesiges Loch. Was sollten diese Planken dort noch groß an Kraft übertragen?
Begründung für den Sprung.
Tatsächlich ist das Achterdeck an vielen Schiffen mit mehr oder minder großen "Sprüngen" zu finden. Na klar, da gibt es die, die ein komplettes eigenes Achterdeck hatten - aber auch einige, die nur eine Stufe hatten. Dann gibt es noch die Flush-Decker / deutsch Glatt-Decker - Schiffe mit einem flachen Deck - wie das Fregatten ja eigentlich sind. Witzigerweise hat die Surprise ja ein glattes Deck - nämlich das Gun-Deck! .. die Fregatten begannen ursprünglich mit DIESEM als durchgehendem Oberdeck und bekamen erst im Lauf der Jahrhunderte das "Weatherdeck" oder "Spar"-Deck dazu, das dann erst im Lauf der Zeit vom Foredeck zum Achterdeck durchgehende Gangways bekam - und dann in den großen Fregatten zu einem einzigen großen Oberdeck zusammenwuchs..
Die Stufe würde den Matrosen kein Problem bereiten - das Betreten des Achterdecks war sowieso nur auf Befehl - quasi in Ausnahmen - erlaubt und eine "echte" Trennung (wenn keine Treppe möglich war) durchaus auch eine psychologische "Trennung", deren Überschreitung auch aus "Versehen" damit ziemlich schwer zu verargumentieren war. Die Manschaft hat VOR dem Mast zu arbeiten - und war nur in Ausnahmen auf dem Achterdeck erlaubt - hier in diesem Schiff z.B., wenn das / der? Gangspill bedient werden musste. Natürlich war die Manschaft auch zum Bedienen der Besanbesegelung dann auf dem Achterdeck erlaubt - aber da dann wohl auch nur bestimmte Kerls.
Aber das war ganz sicher nicht der Hauptgrund:
Viel eher verhindert auch so eine kleine Stufe, dass Wasser, das über das Vorschiff und die Gangway nach achtern rollte, einfach direkt auf´s Achterdeck läuft. Die Stufe bricht die Welle .. natürlich: wenn es ein richtiger oder auch ein "kleinerer" Kawenzmann ist, nützt einem auch so eine Stufe nichts. Aber denkt daran, das Schiff läuft mit Kränkung hart am Wind und die ein oder andere Woge läuft über das Vorschiff und dann entlang der Kuhl (durch die Schräglage läuft schon im Bereich der Kuhl viel Wasser zurück ins Meer .. und was immer dann beim Achterdeck noch ankommt, es wird gestoppt und läuft an der Stufe seitwärts ab.
In der Original Zeichnung der Surprise (findet man eingescannt bei diesem großen
britischem SchiffsMuseum online), sieht man da auch keinen Sprung.
Hmm.. ich glaube, man kann auch da den Sprung erkennen - aber es ist schwer, weil die Zeichnungen, die ich online gefunden habe, sehr unscharf sind.
Aber ich meine, wenn man im Achterdeckbereich den Decksbalken folgt, liegt deren Oberkante in etwa auf höhe der oberen beiden Öffnungen der Jungfern, richtig? .. und die wiederum fluchten recht gut mit der zweiten Linie von Oben im Kuhlbereich. Diese Linie (die zweite von oben) läuft auch durch bis zum Bug und fluchtet auch am vorderen Mast mit den zwei Öffnungen in den dortigen Jungfern.
Die Balken des Vorderdecks aber scheinen mir eher mit den unteren Bohrungen (der einen je) der Jungfer zu fluchten - und diese wiederum eher etwas tiefer.
Ich habe versucht, die Pläne der Surpise im NMM (National Maritime Museum) zu finden - bin aber immer wieder nur bei denen von 1812 gelandet. Das ist aber leider ein anderes Schiff. Hast Du wirklich die 1798er Surprise gefunden?
Oh Gott - schon wieder so viel Text !
Entschuldigt bitte!! .. ich kann die Bilder nicht scannen (kein Scanner) aber ich denke, wer die Pläne hat, versteht mich