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Guten Abend allerseits,
wie im letzten Beitrag angekündigt, geht es vor dem eigentlichen Bau nun um die Beschreibung weiterer Bestandteile der Geschütze, sowie
den notwendigen Veränderungen beim Bausatz von Heller. Zunächst wildern wir mal zur Einführung etwas in Nachbars Garten ;-) und schauen
uns auf der Victory um. In Ordnung, für uns Franzosen falsches Schiff, falsche Zeit, falsche Nation, teils falsche Kaliber, aber Spaß macht es
trotzdem.
Wirklich kleine Sturmhaken...
Bei dieser Aufnahme bin ich mir nicht sicher, ob diese von der Victory stammt. Man sieht hier, wie klein die Blöcke zum Teil waren, die haben hier sicherlich keine 20 cm…
Preisfrage: Stammt die nachstehende Aufnahme von einem Schiff realer Größe oder handelt es sich um ein Modell ? Übrigens die einzige
Aufnahme, die ich nur mit einem Rückholtakel gefunden habe, ansonsten immer doppelte Ausführung.
Und jetzt ein Stück in der Zeit zurück, nachstehende Federzeichnung von Antoine Morel Fatio passt zwar nicht in Zeit, zeigt aber sehr schön
die Mächtigkeit des Brooktaus in englischer Ausführung, da um das Geschützende herumführend. Bei der kontinentalen Ausführung wird das
Brooktau ja durch die Lafette geführt.
Von Louis Philippe Crépin (1777-1851) stammt dieses Gemälde, passt also auch nicht zeitlich, aber immerhin sind Blöcke und
Sturmhaken sehr schön zu erkennen. Allerdings scheint mir bei Nutzung von zwei Doppelblöcken bei dem Rückholtakel einiges nicht so recht
stimmig. Das müsste meines Erachtens ein Einfach- und ein Doppelblock sein. Der Dreifachblock beim Kanonentakel ist auch ungewöhnlich.
„Haken“ wir es unter künstlerischer Freiheit ab.
Abschließend noch ein kleiner Ausflug auf die französische Insel Île Tatihou die in der Bucht von Saint-Vaast-la-Hougue, vor der Ostküste der
Halbinsel Cotentin im Département Manche in der Normandie liegt. Die kleine Insel beherbergt unter anderem ein Seemuseum und ein vom
Marquis de Vauban erbautes Fort. Der Name ist dem ein oder anderen vielleicht bekannt, Es gab bei Phönix eine sehr ausführliche Dokumentation
über den Herrn, die ich nur empfehlen kann.
Bei dieser Aufnahme liegt der Schildzapfen sehr tief in der Lafette, was meines Erachtens auch notwendig ist, um genug Querschnittsfläche
zur Kraftübertragung des Rückstoßes zu besitzen. Meist findet man nur die Halbierende in der Lafette liegend…
Zum Abschluss des Ausfluges noch eine weitere Aufnahme aus dem Museum:
Schöne Blöcke, schöne kleine Sturmhaken, aber das Brooktau verdient den Namen nicht und irgendwie hat man das Gefühl, eher ein Spielzeug
vor sich zu haben….
In historischer Sicht bringt uns das alles kein Stück weiter. Wie sahen die Geschütze gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts in
Frankreich wirklich aus ? Also braucht es wieder andere Quellen und dazu nutze ich erneut die üblichen Verdächtigen. In diesem Fall allen
voran das Album de Colbert von 1670, das exakt in die Zeit passt.
Hier eine Schnittzeichnung, wo die Geschütze über alle Decks schön zu sehen sind.
Geschlossene Lafettenwände, zwei Radachsen mit unterschiedlichen Raddurchmessern, immerhin, ist schon mal eine Grundlage.
Als weitere Quelle fällt die „Description du Vaisseau de Royal Louis“ also das Konstruktionsbuch des Schwesterschiffes leider mangels Zeich-
nungen aus, bleiben also noch vergleichbare Aufnahmen von historischen Schiffsmodellen, die man heranziehen könnte.
Als zeitlich an der Soleil Royal am dichtesten liegende Ausführung kommt das Modell Royal Quinze von 1728 in Betracht, wo auch einige Konstruk-
tionsdetails abgeleitet werden können.
Als weitere Quellen dienen:
Le Vaisseau de 74 Canons von 1755
Dreidecker Le Sans Pareil von 1757
L’Artésien von 1762
und die L’Ocean von 1785
Das wären zunächst die Quellen, es fehlen noch die Informationen von Monsieur Boudriot, der in einer verblüffend ähnlichen Zeichnung
die französischen Geschütze und Lafetten wie folgt darstellte.
Und jetzt arbeiten wir das Ganze schön ab. Dazu habe ich die obige Zeichnung mit Ziffern versehen, die wir en Detail erst im Allgemeinen
und bei Bedarf für den Heller-Bausatz gleich im Besonderen durchgehen. Einen Dauerhinweis auf obige Quellen erspare ich mir dabei:
Zu Ziffer 1 Zapfen:
1.1 Verzapfung der Achsen, konisch zulaufend
Zu Ziffer 2 Räder:
2.1 Generell Lafetten mit zwei Radachsen auf allen Decks
2.2 Räder der Vorderachse größer als auf der Hinterachse infolge der Deckskrümmung
Zu Ziffer 3 Keile
3.1 Unterlage von Keilen zum Ausrichten der Kanonen
3.2 Heller SR: Fehlt beim Bausatz ab der 12 Pfünder und müssen zusätzlich hergestellt werden
Zu Ziffer 4:
4.1 Lafettenwände sitzen meist durchgehend auf der Schwelle satt auf
Zu Ziffer 5:
5.1 Evtl. an dieser Position weitere Ösen vorsehen, da dort sehr oft zu finden, evtl. als weitere Möglichkeit zum Ansatz der Rückholtakel.
Lt. Boudriot Le Vaisseau de 74 Canons, 2. Band Seite 168 wurden zwei Rückholtakel erst ab 36 Pfünder eingesetzt, ansonsten nur 1 Takel.
Aber ich kenne trotz intensiver Recherche keinen einzigen zeitgenössischen Beleg für nur eine Takelausführung bei kleineren Geschützen,
weder bei historischen Modellen, noch bei Zeichnungen oder Gemälden und denke daher darüber nach, wieder auf zwei Rückholtakel
mindestens bis zu den 12 Pfündern zurückzukehren.
Zu Ziffer 6:
6.1 Diese Ausführung eines kombinierten Doppelhakens habe ich bei einer Animation der Vasa sowie bei Geschützen der Batavia entdecken
können. Dort wurde das Kanonentakel nicht mittels Sturmhaken, sondern nur durch gebundene Schlaufen eingehängt.
Zu Ziffer 7:
Heller Bausatz: Bohrung für Brooktaudurchführung, kontinentale Ausführung Durchmesser 1 mm für 0,8 mm Brooktau.
Zu Ziffer 8:
8.1 Schildzapfen müssen meines Erachtens tiefer in die Lafette versenkt werden.
8.2 Heller SR: Schildzapfen sitzen falsch und müssen horizontal in etwa auf Höhe der Vorderachse versetzt werden.
8.3 Heller SR: Es fehlt die Zapfensicherung und muss zusätzlich hergestellt werden
Zu Ziffer 9:
Heller Bausatz: Kanonen- und Rückholtakel in 0,25 mm Garnstärke evtl. dünner. Anschluss an Einfach und Doppelblöcken mittels Sturm-
nicht mit S-Haken
Zu Ziffer 10:
Heller Bausatz: Brooktau in mind. 0,8 mm Stärke
Zu Ziffer 11:
Befestigung des Brooktaus an der Bordwand entweder mit Sturmhaken, oder mit gebundener Schlaufe, keine feste Regelung, beide
Varianten waren üblich.
Zu Ziffer 12:
Heller Bausatz: Die Achsen müssen dichter zueinander versetzt werden, der vorgegebene Abstand von Heller ist zu groß.
Zu Ziffer 13:
Heller Bausatz: Es sind nur Geschützgrößen bis Kaliber 24 vorgesehen, aber wahrscheinlich waren auch wie beim Schwesterschiff
Royal Louis 36 Pfünder im Einsatz. Im zuvor genannten Konstruktionsbuch der RL von 1677 ist auch deren Verteilung auf den Decks
angegeben, falls sich jemand dafür interessieren sollte. Wie stelle ich 36 Pfünder her ? Entweder komplett neu anfertigen oder
versuchen Farblage auf Farblage bei den 24 Pfündern aufzutragen und die Kanone aufzudicken, funktioniert freilich nicht in Länge,
da müsste dann getrickst werden, d.h., die Kanone mehr zur Vorderachse verlagern. Das sieht man von außen ohnehin nicht .
Zu Ziffer 14:
Heller Bausatz: Es fehlt die Öffnung für den Lunteneinsatz, muss zusätzlich gebohrt werden.
So ihr Lieben, das war es in Sache Recherche (bis auf die Verzurrung) für die Kanonen der Soleil Royal. Es war mir ein großes Anliegen,
einmal die ganzen Informationen und Veränderungen hier in einem Beitrag zu bündeln, damit potenzielle Nachfolger nicht wieder von
vorne anfangen müssen. Jetzt gilt es das Ganze baulich umzusetzen und da sind zunächst einige Versuchsreihen erforderlich, bevor es
an den eigentlichen Zusammenbau geht. Das wird schon einige Zeit kosten und andere Projekte warten immer noch darauf realisiert zu
werden. Das habe ich alles zugunsten der SR verschoben. Ach ja.. und Lust darauf muss ich auch noch haben.
In diesem Sinne bis demnächst und beste Grüße
Bernd