Guten Abend,
schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind und den Weg in mein Kaminzimmer an Bord der Soleil Royal gefunden haben.
Bitte entschuldigen Sie zugleich die Unordnung hier. Überall liegen Hölzer, Leitern, Taue, Werkzeuge und vieles mehr herum, aber das Schiff befindet sich nun mal im Bau und man muss schon darauf achten, wo man hintritt oder wann es besser ist, den Kopf einzuziehen.
Zurzeit ist ja nur dieses Kaminzimmer in etwa bezugsfertig, aber irgendwo muss ich ja während der Bauphase logieren, nicht wahr ?
Ein offener Kamin an Bord der Soleil Royal ?
In der Tat, dies wird eben ein sehr persönliches Schiff. Ich muss nun mal mehrere Jahre unter diesen widrigen Bedingungen leben und der Mangel an Luxus hier bedrückt mich ohnehin. Sehen Sie mir also diese kleine Annehmlichkeit nach. Keine Sorge, Sie werden es dem Schiff nicht ansehen.
Mon Dieu, wo hab’ ich nur meine Manieren !
Setzen Sie sich doch und machen Sie es sich bequem !
Zugegeben, es war nicht ganz einfach die großen Clubsessel, Teppiche etc. durch die schmalen Türen zu bugsieren, aber die Mühe war es wert und trotz der Bauzustände auf diesem Schiff ist es zumindest hier im Kaminzimmer schön warm und gemütlich geworden.
Einen Cognac kann ich Ihnen leider auch nicht anbieten. Irgendwelche Kretins haben eine der Kutschen ausgeraubt und dabei meine Kleider und meinen geliebten Armagnac mitgehen lassen, na hören Sie mal ! Zeiten sind das….
Ganz im Vertrauen, an der Pier und in den Gassen treibt sich bisweilen schon übles Gesindel herum. Übersetzer zweifelhafter Herkunft und andere sonderbare Gestalten, die für ein Stück Apfelkuchen ihre Seele verkaufen würden. Nehmen Sie sich also beim Rückweg ja vor diesem Pöbel in acht.
Seien Sie überdies nachsichtig mit mir, wenn ich ab und zu ins Französische abgleite, andererseits sind wir aber auch auf einem französischen Schiff, n’est-ce pas ?
Wo wir jetzt gerade so vertraulich beieinandersitzen erlaube ich mir, Sie künftig zu duzen. Was die Soleil Royal betrifft, so denke ich, sind wir doch alle irgendwo Brüder und Schwestern im Geiste.
Kommen wir zum eigentlichen Grund unseres Kaminabends, dem Bau dieses Schiffes.
Im Grunde genommen ist dies für mich eher ein Nebenprodukt, denn hauptsächlich geht es mir um das Verständnis marinehistorischer Zusammenhänge der damaligen Zeit und im Nachgang erst um die schiffsbautechnischen Belange, die es am Modell umzusetzen gilt.
Für die Recherchen und den Bau setze ich schon mehrere Jahre an, zumal längere Pausen an der Tagesordnung sein werden.
Die Sache hat allerdings einen nicht ganz unerheblichen Haken, denn im Grunde genommen beschränkt sich meine Karriere im Modellbau auf ganze zwei Exemplare.
Auf ein kleines Jagdflugzeug Anfang der siebziger Jahre und dem Bau der Victory von Revell Anfang der Neunziger, als kleine sentimentale Erinnerung an einen Kurzurlaub in England.
Das war’s. Mehr habe ich auf diesem Gebiet nicht vorzuweisen und wenn es mich auch Punkte bei euch kosten sollte, dieses Modell wird definitiv das Letzte sein, mein Wort drauf.
Ich bin in euren Augen also eher als eine Art Gast hier anzusehen, der sich quasi auf der Durchreise befindet.
Ich habe dazu ein Zeitproblem und wenn überhaupt, eigentlich nur am Wochenende die Gelegenheit, vielleicht ein paar Stunden daran zu arbeiten.
Ideale Voraussetzungen also für den Bau der Soleil Royal, nicht wahr ?
Das Flugzeug hat im Übrigen das Zeitliche gesegnet, aber das Schiff hat es in einer Vitrine überlebt. ☺
Ich habe das Modell nicht extra aufpoliert, sondern es kam für die Fotos so wie damals gebaut direkt auf den Tisch. Der planlose Einsatz von schwarzem Garn sollte dabei die Stage darstellen und die heimelige Kunststofftakelage etwas aufwerten, jedoch mit sehr bescheidenem Ergebnis.
Bei näherer Betrachtung fallen einem freilich die Sünden auf. Kein Abkleben, keine Grundierung und mit dem Kleber bin ich auch etwas inflationär umgegangen.
Aber kommen wir zurück zum eigentlichen Thema.
Sofern es meine Zeit zuließ, habe ich mir über Monate hinweg die Bauberichte der SR in den Foren angesehen und einiges dabei gelernt.
Inzwischen habe ich etwas an dem Schiff gearbeitet, dabei Erfahrungen gesammelt und getestet, wie weit ich in der Lage bin ins Detail zu gehen und wie viel Zeit ich bereit bin, dafür zu investieren.
Für den Bau der SR weiß ich im Grunde was ich will und welchen Detaillierungsgrad ich dabei anstrebe. Bei mir führte dies zum Beispiel zu einem Ja für die vollständige Kanonentakelung der sichtbaren Geschütze, aber zu einem Nein für die Anwendung der Airbrushtechnik, die nicht so mein Ding ist.
Und Farben sind für mich ein ganz wichtiges Thema.
Bis auf die Bordwände, die mit Enamel gestrichen werden, benutze ich hauptsächlich Acrylfarben, dabei alle, auch die Mischungen, in sehr gedeckten, matten Tönen gehalten.
Das heißt, das Gold soll nicht glänzen, sondern stumpf wirken, wie „angelaufenes Messing“, wenn jemandem die Begrifflichkeit etwas sagt. Gleiches gilt für die Rottöne und selbst dem dunklen Indigo werde ich durch Beimischung von Rot und Schwarz die ohnehin nicht sehr ausgeprägte Farbstärke nehmen, um den Kontrast zwischen mattem Gold und Indigo wieder zu erhöhen.
Also eine Art Soleil Royal „antik“
Und diese Farben authentisch bei den Aufnahmen einzufangen ist dann auch die Kunst. Das macht jede Menge Arbeit und erfordert die entsprechenden Zeitfenster für das richtige Tageslicht, wenn man wie ich den Blitzeinsatz möglichst beschränken will. Bei den nicht sichtbaren Bereichen werde ich mich in der Regel auf das Notwendige beschränken, aber bei der Ausführung sichtbarer Elemente sieht die Sache anders aus, dabei bestätigen Ausnahmen auch hier die Regel.
In den ersten Phasen des Bauberichtes wird es circa alle eins bis zwei Wochen eine Fortsetzung geben, bis der Bericht den aktuellen Bauzustand eingeholt hat. Man soll Abschnitt für Abschnitt nachvollziehen können wie ich was gemacht habe, oder daraus lernen, wie man es besser nicht machen sollte.
In beiden Fällen ist man hinterher schlauer und darum geht es mir in erster Linie.
Das bedeutet aber auch, mit Kritik nicht zu sparen und/oder Alternativen aufzuzeigen, wie sonst soll die nächste SR-Generation einen Nutzen daraus ziehen ?
Danach beschränke ich mich auf monatliche Aktualisierungen, da es langsamer vorwärts geht. Bei der späteren Takelung werden sich dann noch größere Zeitabstände ergeben.
Ihr seht, ich bin also nicht den Rennpferden, sondern eher den Kriechtieren zuzuordnen. ☺
Dazu kommen noch Kunstpausen aufgrund privater oder beruflicher Umstände, längere Perioden, um mir in Ruhe die Umsetzungen zu überlegen, oder weil ich ganz einfach mit anderen Dingen beschäftigt bin.
Da ich neben den Experten hier aber auch Gäste, Anfänger und Leser, die eher per Zufall auf dieser Seite gelandet sind ansprechen will, werde ich das eine oder andere ausführlicher als vielleicht notwendig schildern oder mache kleine Ausflüge in die Marinehistorik und bitte die Kenner der Materie dafür schon einmal um Nachsicht.
Ende erster Teil