Sie sind nicht angemeldet.

Lieber Besucher, herzlich willkommen bei: Das Wettringer Modellbauforum. Falls dies Ihr erster Besuch auf dieser Seite ist, lesen Sie sich bitte die Hilfe durch. Dort wird Ihnen die Bedienung dieser Seite näher erläutert. Darüber hinaus sollten Sie sich registrieren, um alle Funktionen dieser Seite nutzen zu können. Benutzen Sie das Registrierungsformular, um sich zu registrieren oder informieren Sie sich ausführlich über den Registrierungsvorgang. Falls Sie sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt registriert haben, können Sie sich hier anmelden.

1

Samstag, 5. März 2016, 14:32

Bemalen von Artitec Resin-Modellen

Das Bemalen von Artitec Resinmodellen am Beispiel der "Sieben Provinzen"




Über die Bemalung der Artitec-Modelle

Die Modelle der Firma Artitec bieten die Möglichkeit, Schiffe des 17. Jahrhunderts in ihren Originalfarben darzustellen, das heißt: so, wie sie von der Werft kamen, oder so, wie sie nach langen Jahren auf See aussahen. Viele Modellbauer schwören zwar auf Holz als Baustoff für ihre Modelle, tatsächlich lässt sich Echtholz aber nicht so nuancenreich bemalen wie die Resinoberflächen der Artitec Modelle, in die neben vielen Details auch sehr dezente Holzstrukturen graviert sind. Diese Oberflächen kann man mit verschiedenen Farben bemalen und auf vielfältige Art und Weise so behandeln, dass derselbe Eindruck entsteht, der von den zeitgenössischen Schiffsdarstellungen ausgeht. Ein Artitec Modell zu bauen kann bedeuten, ein „dreidimensionales Gemälde“ zu schaffen, das denen der holländischen Marinemaler des Goldenen Zeitalters durchaus ähnlich sieht. (Übrigens können im Gegensatz zum Holzmodell beim Resinmodell misslungene Bemalungen ohne eine Beschädigung der Oberfläche mit einem Ablackierer wieder beseitigt werden!)

Ich beschreibe im Folgenden die Bemalungstechnik, die mir Herbert Tomesen von Artitec vermittelt hat. Mit ihr sind alle Modelle des großen Dioramas im Museum von Texel gestaltet. Als Beispiele habe ich einen Teilabguss des Rumpfes, ein Deck und den sehr detaillierten Heckspiegel der „Zeven Provincien“ gewählt. Das Prinzip dieser Bemalungstechnik, die aus zwei Arbeitsgängen besteht, ist praktisch auf alle Artitec Modelle übertragbar.

Zuerst müssen die Teile vorsichtig, aber gründlich gereinigt werden, am besten mit Lauge und einer weichen Bürste. Dann werden sie grundiert. Ich habe dazu Humbrol 63 genommen. Doch auch andere mittlere Holztöne sind möglich, etwa 110, 94 und 29. Die Grundierung kann mit einer Airbrush erfolgen, um sicherzustellen, dass genug, aber nicht zu viel Farbe aufgelegt wird. Zuviel Farbe würde die feinen Strukturen zum Verschwinden bringen. Andererseits wird die Farbschicht durch die folgenden Prozesse mechanisch belastet; sie sollte also auch nicht zu dünn sein. Es ist überdies ratsam, sie sehr gut austrocknen zu lassen, also mindestens drei Tage. Das Deck habe ich größtenteils mit Humbrol 28 gestrichen, das für einzelne Planken mit verschiedenen Anteilen von Humbrol 63 abgemischt ist. Eine andere Deckvariante besteht aus der Mischun Humbrol 110 und Humbrol 127.

Anschließend werden alle Teile, die später nicht holzfarben sein sollen, mit Humbrolfarben angemalt. Für das Blaugrau der oberen Bordwandbereiche und den Fond des Heckspiegels habe ich Humbrol 157 gewählt, das man nach Geschmack mit ein wenig Weiß aufhellen kann. An der Bordwand habe ich die Nägel und Bolzen mit kleinen Tupfen Schwarz versehen, die ruhig etwas größer sein können als der Bolzen selbst. Das Wappen auf dem Heckspiegel ist mit Gold (Humbrol 16 oder Revell 94) ausgelegt, die Löwen und einige Details der Wappen sind mit Humbrol 60 und Weiß gestrichen, die Draperie neben dem Wappen mit einem aufgehellten Humbrol 19. Die großen Figuren an der Seite und die Köpfe der Hermen sind mit einer Fleischfarbe (Revell 37 oder Humbrol 61) gestrichen. Wie weit man die farbliche Detaillierung des Heckspiegels treiben will, ist natürlich Geschmackssache und eine Frage von gutem Auge und ruhiger Hand. So lassen sich zum Beispiel die Köpfe der Figuren im unteren Bereich naturalistisch gestalten.

Nun könnte man sagen: Die Teile sehen aus wie unambitioniert bemalte Plastikmodelle! Das stimmt. Aber die Grundfarben sind so gewählt, weil erst in einem zweiten Arbeitsgang das endgültige Erscheinungsbild hergestellt wird. Dazu werden sie zunächst mit Vandyckbraun der Firma Schmicke überzogen, einer Ölfarbe, die in Tuben erhältlich ist. Man sollte diese Farbe möglichst unverdünnt auftragen; das sorgt später für einen wärmeren Farbton. Wo das nicht möglich ist, kann man sie ein wenig mit „Rapid Medium“ von der gleichen Firma verdünnen. Man sollte darauf achten, die Farbe in jede Fuge oder Vertiefung zu bürsten.

Nach wenigen Minuten heißt es dann, die Ölfarbe wieder möglichst vollständig zu entfernen. Die Werkzeuge dazu sind: Lappen oder Zellstoff, mit der Hand oder dem Finger geführt oder mit einer Pinzette in schwer zugängliche Stellen gedrückt, Pinsel mit kurz geschnittenen Borsten, normale Q-Tipps oder die speziellen Wattestäbchen der Firma Tamiya. Hier muss man improvisieren, je nach der Gestalt des Teils. Am besten, man hat viele solcher Hilfsmittel parat liegen. Doch keine Bange: Man hat für den Vorgang des „Säuberns“ einige Zeit zur Verfügung; die Ölfarbe trocknet recht langsam und lässt sich auch nach Stunden noch entfernen.

Bei diesem „Säubern“ geschieht nun Zweierlei. 1. Die Ölfarbe geht eine gewisse Verbindung mit den Grundfarben ein. Sie werden abgedunkelt und bekommen alle denselben warmen Ton; das erhöht die realistische Wirkung enorm! 2. Die Ölfarbe, die sich aus Fugen, Ritzen und Kanten nicht vollständig herauswischen lässt, betont wie ein künstlicher Schatten die Konturen; außerdem hebt sie die feine Maserung der gravierten Planken hervor. Erst bei diesem Verfahren zeigt sich, wie detailliert und naturgetreu die Oberflächen der Modelle gestaltet sind.

Das Entfernen der Ölfarbe erfordert Geduld und Geschick, außerdem ist es ein gestalterischer Akt, weil man dabei entscheidet, wie „neu“, „gebraucht“ oder „vernachlässigt“ das Modell aussehen soll. Schiffe, die gerade aus der Werft kamen, waren damals sehr üppig bemalt, mit Farben, die für den heutigen Geschmack vielleicht etwas schreiend wirken. Aber Wind und Wetter veränderten schon bald das Erscheinungsbild der Schiffe. Die Farben verblichen oder blätterten ab, Pulverdampf schwärzte die Bereiche um die Stückpforten, die Decks bleichten in der Sonne. Später wurden die Farben der Verzierungen womöglich nicht mehr aufgefrischt; vielmehr überstrich die Mannschaft die Figuren und Ornamente mit Teer. Schiffe, die „Braunschwarz über alles“ waren, dürften keine Seltenheit gewesen sein.

Bei Bedarf kann man bestimmte Bereiche stärker abdunkeln, indem man sie ein zweites Mal mit Ölfarbe überstreicht, z.B. den Bereich um die Stückpforten, wenn man ein Modell so darstellen will, wie es aus der Schlacht gekommen ist. An der Bordwand habe ich den unteren Teil bis zum zweiten Barkholz noch einmal mit einer mehr ins Goldbraun abgetönten Ölfarbe überstrichen. Damals schützte man diesen Bereich mit einem zusätzlichen Überzug aus Teer.

Wenn die Ölfarbe angetrocknet ist, kann man bestimmte Partien auch wieder betonen, indem man sie mit ganz wenig Grundfarbe „trockenmalt“, d.h. mit einem ganz ausgestrichenen Pinsel flach überstreicht. Das setzt „Lichter“ und erhöht den realistischen Eindruck. Bei der „Zeven Provincien“ könnte man z.B. das Wappen in einem besseren Zustand als seine Umgebung darstellen, weil es auf Anweisung des Kapitäns gerade nachgestrichen wurde.

Eine alternative Methode besteht darin, ALLES zunächst mit Humbrol 63 und eventuell anderen Holztönen zu bemalen oder zu spritzen, dann gleich mit unverdünntem Vandyckbraun zu überziehen und die Farbe wie beschrieben wieder abzuwischen. Wenn man mit dem Ergebnis zufrieden ist, sollte man es ein paar Tage lang austrocknen lassen. Nun kann man die anderen (bunten) Farben auf die Holzfarben auftragen. Der Vorteil dieser Methode ist: Man kann weitere Effekte erzielen, indem man zum Beispiel transparent malt, so dass die Holzstrukturen unter der Farbe sichtbar sind. Das gilt etwa für den oberen Teil der Bordwand oder die Handläufe. Nach dem Trocknen der bunten Farben kann man sie ggf. mit Vandyckbraun wieder etwas abdunkeln.

Beim Deck ist es auch eine gute (und schnelle!) Methode, es in einer einzigen Farbe (z.B. Humbrol 28 ) oder einer Mischung (Humbrol 110 und 127) zu streichen und dann beim Abwischen der Ölfarbe mit einem Wattestäbchen einzelne Planken stärker zu säubern als andere. Ein letzter Tipp: Teile, die etwas sauberer aussehen sollen als ihre Umgebung, etwa die Figuren am Heckspiegel, lassen sich am besten mit der Fingerkuppe reinigen.

Wichtig ist bei allem, dass man sich freimacht von der Vorstellung, es gebe ein „richtiges“ oder „falsches“ Aussehen der Schiffe. Auf den Gemälden der Van de Veldes und anderer Maler sieht man Schiffe in sehr verschiedenen Erhaltungszuständen. Dabei sorgt der Überzug mit der immer gleichen Ölfarbe dafür, dass ein glaubhafter Gesamteindruck entsteht und alle Schiffe, egal in welchem Zustand sie dargestellt sind, gut zueinander passen.
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

2

Samstag, 5. März 2016, 17:20

Richtig guter Beitrag! Danke dafür!

3

Samstag, 5. März 2016, 17:44

Toller Thread ! Danke ! Das beantwortet viele Fragen.
Insbesondere den letzten Absatz kann man gar nicht deutlich genug betonen !

Das ist also eine erste Schicht Humbrol Enamel oder Aquas (?) und darauf Vandyck Ölfarbe zum Draken .
Geht nach meiner Erfahrung beides gut.

Dann darauf je nach Technik nochmals bunte Farben ?
Wie gut halten denn die Humbrol-Farben auf der Ölfarbe ... ganz normal und unproblematisch ?
Oder gehts dann nur mit Ölfarben in bunt weiter ? Das Modell als Leinwand ...
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

"When all else fails ... Read the instructions" ( LINDBERG 1965 )

Youth, talent, hard work, and enthusiasm are no match for old age and treachery !
( In memoriam Prof. John A. Tilley, † 20.07.2017 )

4

Samstag, 5. März 2016, 17:56

Das Modell als Leinwand ...


Das ist es! Und für mich seit einiger Zeit der größte Bastelspaß.

Man kann nach dem Antrocknen der Ölfarben wieder mit Humbrol drüber malen. Wenn man die Technik wie von mir beschrieben durchführt, bleibt auch wirklich nicht viel Ölfarbe auf dem Modell. Kein Vergleich zu einem deckenden Überzug mit Ölfarben.

Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

5

Samstag, 5. März 2016, 19:52

Danke für die Beschreibung
Gruß Christian

in der Werft: HM Cutter Alert im Maßstab 1/36 nach den Plänen des NMM und einer eigenen Rekonstruktion


"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

6

Samstag, 19. März 2016, 15:51

Ich habe die Holzdarstellung anhand Deiner beschreibung für die kleine Artitec Kogge diese Woche getestet. Ich bin von den Ergebnissen sehr angetan. Das Ergebnis gefällt mir besser als meine bisherige Vorgehensweise Öl auf Acryl. :thumbsup:
Danke noch einmal für die Beschreibung
Gruß Christian

in der Werft: HM Cutter Alert im Maßstab 1/36 nach den Plänen des NMM und einer eigenen Rekonstruktion


"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

7

Donnerstag, 24. März 2016, 19:55

Na, da pulst doch meine pädagogische Ader sehr stark. :D

Freut mich, dass ich etwas von meiner Begeisterung vermitteln konnte. Ich muss aber immer betonen, dass das Verfahren nicht auf meinem Mist gewachsen ist, wenngleich ich lange mit ähnlichen Techniken experimentiert habe. Niemals allerdings wäre ich auf die Idee gekommen, meine fertig bemalten Modelle mit deckender Ölfarbe zu übermalen. Noch jetzt gruselt mich jedes Mal, wenn ich das Vandyckbraun auftrage. Das stimuliert jedesmal wieder die alte Urangst des Modellbauers, eine falsche Farbe nicht wieder herunterzukriegen. Ich bemale daher immer noch einzelne, gut voneinander zu trennende Partien, aus Furcht, die Ölfarbe könnte doch antrocknen.

Habe ich dich richtig verstanden, dass du auch an der Kogge baust? Wenn das so ist, zeige doch bitte Bilder. Ich habe auch schon mit dem Bau begonnen und würde mich gerne über die Resultate austauschen.

Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

8

Donnerstag, 24. März 2016, 20:04

Namnd! :wink:
Ich habe mit Begeisterung und aufmerksam Dein Tutorial gelesen- aber wo ist denn nun der wesentliche Unterschied zu konventionellen "Schmitden"?? Der konnte sich mir noch nicht recht erschließen...kannst Du bitte nochmal kurz erklären? :nixweis:

Vielen Dank und schon mal vorab 'n dicken Hasen! :thumbsup:

Chris :ahoi:
"Go and tell Lord Grenville that the tide is on the turn. It's time to haul the anchor up and leave the land astern. We'll be gone before the dawn returns. Like voices on the wind..." (A. S.)

"Mayflower"

"La Santissima Madre"



9

Freitag, 25. März 2016, 10:51

Hallo Schmidt,

Du hast eine PN
Gruß Christian

in der Werft: HM Cutter Alert im Maßstab 1/36 nach den Plänen des NMM und einer eigenen Rekonstruktion


"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

10

Dienstag, 29. März 2016, 21:00

Hallo Schmidt, dürfte ich interessehalber nochmal kurz auf meine Frage von post 8 hinweisen?
Vielen dank! :thumbsup:

Chris :ahoi:
"Go and tell Lord Grenville that the tide is on the turn. It's time to haul the anchor up and leave the land astern. We'll be gone before the dawn returns. Like voices on the wind..." (A. S.)

"Mayflower"

"La Santissima Madre"



11

Mittwoch, 30. März 2016, 08:27

Chris,

ich glaube, dass es bei derTechnik keinen Unterschied gibt. Der Beitrag fasst nur Schmidt's Vorgehensweise noch einmal zusammen. Alles andere ist Experimentierfreude und eine Menge Übung.
Gruß Christian

in der Werft: HM Cutter Alert im Maßstab 1/36 nach den Plänen des NMM und einer eigenen Rekonstruktion


"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

12

Mittwoch, 30. März 2016, 15:29

Aha! 8o
Vielen Dank für die Erläuterung! :ok:

Chris :ahoi:
"Go and tell Lord Grenville that the tide is on the turn. It's time to haul the anchor up and leave the land astern. We'll be gone before the dawn returns. Like voices on the wind..." (A. S.)

"Mayflower"

"La Santissima Madre"



13

Freitag, 1. April 2016, 08:19

Sorry, Chris, ich hatte hier nicht mehr hineingeschaut. Der Holzwurm hat völlig Recht. Nichts Neues, nur das Alte in einer ausführlichen Zusammenfassung, auch damit ich jederzeit per Link darauf verweisen kann.

Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

Werbung