Hallo,
während des Baus der Renard hatte ich zwei weitere Baukästen günstig erstanden, die Sherborne und die Lady Nelson. Der Bau der Lady Nelson begann zügig nach der Fertigstellung der Renard. Aber, wie das so ist, es kommt immer wieder etwas dazwischen … Deshalb ist der jetzt entstehende Baubericht bis hierhin eher retrospektiv als aktuell. Lady Nelson ist ein sehr schöner Bausatz von Victory Models im Maßstab 1:64. Sie hat kein explizites historisches Vorbild. Sie soll vielmehr einen typischen englischen Navy-Kutter von ca. 1800 darstellen. Es existiert jedoch die Replik einer realen Lady Nelson. Bei ihr handelt es sich um den Nachbau einer bewaffneten Brigg aus dem Jahr 1799.
Der Kutter als Bootstyp entstand erst recht spät, nämlich im England des 18. Jahrhunderts. Die Kutter wurden für den küstennahen Transport oder als Zubringer eingesetzt und waren im Vergleich zu den bis dahin eher plumpen Kähnen ein beachtlicher Fortschritt. Es dauerte nicht lange, bis auch die Marine die Vorteile der Kutter zu nutzen wusste und sie mit Geschützen bewaffnet auf Patrouille schickte. Auf diesen Fahrten konnten die Kutter eine, für ihre Größe, enorme Menge an Segelfläche in den Wind setzen. Typisch für die englischen Kutter aus dieser Periode waren der lange Bugsprit (bis zu 50 % der Rumpflänge) und das bis zum Barkholz klinkerbeplankte Unterwasserschiff. Für die historische und unter Modellbauern recht bekannte Sherborne von 1763 ist eine Besatzung von 30 Mann bei ca. 85 Tons (bm) dokumentiert (Rif Winfield, British Warships in the Age of Sail, Seite 326). Lady Nelson entspricht bzgl. Größe und Bewaffnung in etwa der HMS Sherborne. Navy-Kutter waren nur leicht bewaffnet. Die erwähnte Sherborne verfügte über sechs 3-Pfünder sowie über kleinkalibrige Drehbassen, die in schwenkbaren Gestellen auf der Rumpfstruktur montiert waren. Sie verschossen Kugeln von einem halben Pfund oder aber grobes Schrot aus gehacktem Blei bzw. Eisen oder aber schlicht eine Ladung Nägel.
Der Bau startet mit dem Verleimen von Kiel und Spanten. Danach wird das vorgefertigte Schanzkleid, die erste Beplankung und die Deckplatte angeleimt. Zwei kleinere Malheurs: Oben und Unten der Deckplatte wurden vertauscht (erkennbar an einer Aussparung im Bugbereich). Dieser Fehler hat aber keinen Einfluss. Außerdem ist der Vordersteven durchgebrochen, was mit einem Tropfen Leim schnell und spurlos repariert war. Die Spanten wurden, wie üblich, im Bug- und Heckbereich angephased. Im Bereich des Achtersteven läuft der Rumpf auf die Dicke des Kiels (4 mm) aus. Deshalb sollte die Rumpfplatte in diesem Bereich bis auf ca. 1 mm abgeschliffen oder aber gegen ein entsprechend dünnes Brettchen ausgetauscht werden. Für diese Variante habe ich mich entschieden. Bug und Kiel bestehen aus Nussbaum. Sie wurden an der Rumpfplatte angeleimt. Die erste Beplankung besteht größtenteils aus Lindenleisten 4 x 1 mm. Ausnahme ist das vorgefertigte Schanzkleides oberhalb des Decks. Besonders schön muss diese Beplankung ja nicht sein. Sie muss nur die organischen, fließenden Linien des Rumpfes abbilden. Die erste Beplankung wurde zum Abschluss gespachtelt und abgeschliffen.
Der Rumpf mit der ersten Beplankung:
Die zweite Beplankung besteht aus Nussbaumleisten 4 x 1 mm. Diese Beplankung startet auf Deckhöhe und wird zuerst in Richtung Reling nach oben und dann in Richtung Kiel nach unten fortgesetzt. Die Aussparungen für die Geschützpforten wurden im ersten Arbeitsgang überklebt. Bei vielen fertigen Modellen, die ich mir angesehen habe, ist der untere Heckspiegel in einem Winkel von 45 Grad beplankt. Laut Mondfeld ist es aber seit ca. 1750 üblich den unteren Heckspiegel waagerecht zu Beplanken (was auch dem mitgelieferten Plan entspricht).Als Nächstes wird das Schanzkleid von innen mit Nussbaum beplankt. Vorher werden die Ankerklüsen und die Stückpforten wieder freigelegt. Die Abmessungen der Stückpforten sind leider nur für 4-Pfünder dokumentiert. Sie betragen laut Mondfeld ca. 540 x 460 oder 8 x 7 in 1:64 (B x H in mm). Zum Abschluss wurde der Rumpf in mehreren Stufen glatt geschliffen und mit einer ersten Schutzlackierung aus Klarlack auf Wasserbasis (Revell) versehen.
Der Rumpf mit der zweiten Beplankung:
Die vier Spiegelstützen aus Nussbaum habe ich durch neu gefertigte aus Kirsche ersetzt und, entgegen dem Bauplan, erst nach dem Anbringen des Heckspiegels eingebaut. Die mitgelieferten Leisten weisen übrigens sehr große Farbabweichungen auf, wie es sie in Realität von einer Planke zur nächsten wohl kaum gegeben hat. Wahrscheinlich ist es für das nächste Modell besser, die Leisten selbst aus Furnier herzustellen.
Das Ruderblatt habe ich ein wenig abgeändert. Als Vorlage dienten die Zeichnungen der Navy-Kutter HMS Sherbourne (Royal Museums Greenwich) und HMS Alert (Anatomy of the Ship, P. Goodwin). Da Lady Nelson kein explizites historisches Vorbild hat, wird diese künstlerische Freiheit kein Problem darstellen. Das Ruderblatt selbst besteht aus drei Teilen, es verjüngt sich nach hinten auf ca. 60 % der Dicke. Die Nachbildung der Verzahnung der Balken wird nach der Lackierung wohl nicht mehr zu sehen sein, sie war aber eine kleine handwerkliche Herausforderung, die ich eingehen musste ...
Die Scharniere wurden aus Messing gefräst. Sie sind 4,5 mm breit und 1,2 mm dick. Die Feinarbeit erfolgte mit der Schlüsselfeile. Die Bohrungen für die Bolzen haben einen Durchmesser von 0,6 mm, die Scharnierbolzen aus Messingdraht, die Haltebolzen sind tatsächlich winzige Senkschrauben. Alle Bauteile wurden chemisch brüniert. Einziges Problem bei der Herstellung war zu verhindern, dass die frei stehenden Bänder beim Fräsen abbrechen. Zum einen sind sie nur 0,25 mm dick, zum anderen ist Messing ein sprödes Metall. So hat es ein paar Versuche gekostet, bis ich eine passende Methode gefunden hatte. Der Zusammenbau von Ruderblatt und Beschlägen war ein einziges Geduldsspiel. Letztendlich hat es sich nicht wirklich gelohnt, die 16 Befestigungsbolzen mit Mikroschrauben darzustellen. Dafür ist wohl der Maßstab zu klein.
Der Abstand der Plankenstöße orientiert sich an einer Plankenlänge von ca. 6 m im Original. Die Plankenstöße sind nur angedeutet. Sie entstanden durch Ritzen mit der Rückseite der Skalpellklinge. Die Dübellöcher haben einen Durchmesser von 0,6 mm, was ca. 40 mm im Original entspricht. Die Dübellöcher wurden anschließend mit Wachs ausgegossen. Dieser, sehr komplentative Bauabschnitt dauerte drei Wochen ...
Die Barkhölzer entstanden aus Nussbaumfurnier von 1 mm Stärke. Da die Barkhölzer auf einem, in drei Dimensionen gekrümmten Körper aufgeleimt werden, bedarf es einer Schablone damit sie die richtige Form erhalten. Hierzu habe ich einen Papierstreifen am Rumpf befestigt und die Planmaße mit Hilfe eines Zirkels übertragen. Danach wurde diese Zeichnung auf das Nussbaumfurnier übertragen. Das Resultat ist ein perfekter Verlauf auf dem Rumpf. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann man, ausgehend vom britischen Schiffsbau, Barkhölzer aus Segmenten zusammenzusetzen. Hierfür gibt es zwei nennenswerte Methoden: Das einfache sog. Anchor Stock Planking und das kompliziertere sog. Hook and Butt Planking. Ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, ob es eine Systematik dafür gibt, wann welche Methode angewendet wurde. Darum habe ich mit für die einfachere Methode entschieden.
Für den Anstrich verwende ich Acrylfarben auf Wasserbasis von Revell. Der Rumpf wird unterhalb der Wasserlinie weiß gestrichen. Die Barkhölzer sowie Heck und Vordersteven werden schwarz gestrichen. Die Innenseite des Schanzkleides und die Stückpforten erhalten einen roten Anstrich. Zum Abschluss erhält der gesamte Rumpf ein Finish aus mattem Klarlack.
Eine Frage: Wie fügt man neue Seiten in den Baubericht ein? (Mir scheint, ich bin mit dieser Seite am Limit angekommen.)