Hallihallo Allerseits,
es geht weiter mit der Friedrich Wilhelm! Ich hatte vergangenen Herbst recht intensiv über holländischen Schiffbau im 17. Jahrhundert gelesen und dann für eine Weile die Lust am Weiterbau verloren. Hier ist der Grund:
Das die Bugform historisch gesehen "suboptimal" ist war mir ja bekannt. Aber nachdem ich mal eine Papierschablone für das Gallion gemäß dem Plan angeheftet hatte, sah dies aus wie drangeklatscht.... (na gut, war's ja auch, aber gemeint sind die Prportionen)
Nicht dass mit dem Plan etwas grundlegend nicht in Ordnung wäre, immerhin folgt er dem seinerzeit gut vermessenem Hohenzollermodell eines holländischen Zweideckers. Problemtisch ist eher, dass der Bug der Pearl vorne viel zu schmal zusammenläuft.
Hier mal ein Vergleich:
Von oben nach unten sind das die Jacht Papegojan 1:72 (Shipyard) , die Pearl alias Friedrich Wilhelm zu Pferde 1:100 um die es hier geht, sowie Vasa, ebenfalls 1:100 (Oriel, noch ungeschliffen).Die Papegojan (laut Shipyard 1623, ich denke, die Bauart ist frühestens 1640) und Vasa haben beide nicht den breiten platten Bug eines holländischen Kriegsschiff der 1660er Jahre. Sie haben ein relativ weiten Überhang des Vorderstevens und der Bug ist, unter Wasser und von der von der Seite her betrachtet, eher mit der Pearl vergleichbar.
Jedoch stimmen die Kurven der Pearl, trotz Auffütterung um zwei Plankenlagen im Problembereich, auf Höhe der Wasserlinie so überhaupt nicht:
Das Foto zeigt bereits die derzeit gültige Form des Galions. Eingezeichnet habe ich zwei rote Kurven der Pearl, grün dagegen ist ein idealeren Verlauf zweier Kurven. Nun, ich möchte dieses Problem nicht lösen, da dazu der Unterwasserrumpf praktisch neu gebaut werden müsste. Vielleicht mache ich das mal mit einem zweiten Rumpf. Eine weitere Ausrede: Die ansonsten wunderschöne Soleil Royal von Heller ist an dieser Stelle auch nicht besser...
Wenigstens möchte ich ein halbwegs harmonisches Galion zu meinem Schiff basteln. Denn durch die Rumpfform wird das Galion aus dem Plan entweder viel zu schmal oder aber absurd kurz mit einer auffällig weit hinten liegenden Back. Ich brauche stattdessen eins, was die Unzulänglichkeiten des Rumpfes besser kaschiert.
Meine, zugegeben freie, Interpretation ist nun folgende: Während die Vasa in der Rumpfform noch eine Galeone ist, wurden Schiffe holländischer Bauart in den Folgejahren breiter, zuerst am Heck und nach und nach dann auch am Bug. Insbesondere waren Handelsschiffe um 1650 am Bug noch relativ schmal mit flachem Vordersteven, als Beispiel möchte ich die riesige Prins Willem von 1650 heranführen, die als Kriegsschiff wohl eher wie ein überdimensionierter Schuhkarton zu manövrieren war. Erst, als am Bug mehr schwere Geschütze aufgestellt werden mussten, wurde dieser breiter und der Vordersteven steiler.
"Meine" umgebaute Pearl wäre dann etwa 10 Jahre vor der Friedrich Wilhelm zu Pferde einzuordnen: relativ breites Heck, aber noch schmaler Bug. Vielleicht war ihr Baumeister nicht ganz auf der Höhe der Zeit oder der Auftraggeber wollte ein schnelleres, dafür aber im Bugbereich weniger tragfähiges Schiff? Es wurde sicher auch experimentiert, damals. Ich habe mich dann für ein längeres Galion entschieden, was aber eher in die Übergangsepoche der 1650er-Jahre passt. In diesem Zuge habe ich noch den Sprung der Back erhöht, so dass Kurven von Reling und Galion in einer gedachten Verlängerung oberhalb der Galionsspitze zusammengeführt werden.
Mir gefällt die Lösung so eigentlich. Na ja, also zumindest so gut, dass das Modell nicht länger als Sammelbehälter für Bastelabfälle dienen muss sondern tatsächlich weitergebaut werden soll! Ich werde dies noch ein paar Wochen sacken lassen und würde dann den Rumpf und Galion gemäß dieser Schablone bauen.
Liebe Grüße
Oliver