Hallo Frank, Du hast grundsätzlich theoretisch recht, aber eben nur theoretisch, denn: Auf allen Großseglern dieser Welt war und ist das "laufende Gut", also die Leinen, die zum Bedienen der Segel benötigt werden, bis auf kleinere nationale Besonderheiten nach dem gleichen System an den gleichen Stellen belegt. Und dass hat seinen guten Grund: Zum einen mussten sich die Seeleute, die ja oft von einem Schiff auf ein anderes wechselten, auf dem neuen Schiff sofort zurecht finden, ohne erst vorher, wie z. B. auf der "Gorch Fock" in wochenlangem Trockentrainige eingewiesen zu werden. Denn auf Handelsschiffen war es so, das von dem Tag an, an dem der Seemann an Bord kommt und arbeitet, wird er auch bezahlt, also kamen sie erst unmittelbar vor dem Auslaufen an Bord; auch hatte der Alte viel zu viel Angst, das sie ihm, wenn sie lange vor Auslaufen an Bord kommen, vor Auslaufen wieder "achteraus segeln", also desertieren. Auch bei den Marinen war es ähnlich, auch da mussten Mannschaften oft wegen Ausfälle durch Krankheit, Tod, Unfall usw. ersetzt werden, und auch da war keine Zeit, sie erst groß einzuweisen. Stell die folgende Situation vor: Die HMS "Fly" soll von Spithead Reede auslaufen, ihr fehlen aber noch zwölf Mann. Die bekommt sie von der HMS "Invincible", einem ganz anderen und total anders an Deck eingerichtetem Schiff. Wollte der Kommandant jetzt mit den neuen Leuten erst noch vierzehn Tage "Trockenübungen" auf der Reede veranstalten, wäre er die längste Zeit Kommandant gewesen. Und ähnlich verhielt es sich auf den großen Handelssegelschiffen: Der Seemann, der die letzte Reise auf der "Penang" gemacht hatte, musste sich sofort nach dem Anbordkommen auf der "Sophie Hackefeldt" zurecht finden und wissen, wo das Großobermarsfall belegt ist, denn das Schiff sollte und musste sofort in See gehen, da das Ablaufende Wasser genutzt werden musste, um die Elbe runter zu kommen... Und dann ist ja auch noch zu bedenken, dass sich die Seeleute ja auch bei Nacht in Sturm und Dunkelheit blind zurecht finden mussten und auch ohne "Manöverstrahler" wie auf der "Gorch Fock" die Vormarsreeftalje zu fassen kriegen mussten...
Also deshalb alles nach Plan, wohl geordnet und überall gleich und nicht nach Versuch und Irrtum auf jedem Schiff anders, und diese Stellen, an denen das laufende Gut belegt war, die haben sich im Laufe der Jahrhunderte durch Erfahrungen im täglichen Bordbetrieb als diejenigen Stellen herausgestellt, an denen die Kräfte am besten wirken, übertragen werden können oder sich auf andere Teile des Riggs verteilen...
Hagen