Das Folgende ist kein klassischer Baubericht, sondern eher ein Bau-Ergebnis-Bericht. Ich musste in den letzten Monaten einige hier vorgestellte Polystyrol-Projekte abbrechen oder zumindest hintanstellen, um eine Arbeit beenden zu können, die ich vor fast sieben Jahren begonnen habe. Jetzt bin ich kurz vor dem Ziel und möchte meine Arbeit, über die ich in anderen Foren ausführlich berichtet habe, auch hier sehr gerafft darstellen.
So fing alles an: ein grobpixeliges Foto auf einer digitalen Versteigerungsplattform, das mich aufmerksam werden ließ:
Natürlich der berühmte "Dachbodenfund", bei dem es auch möglich sein kann, dass die Sachen völlig zu Recht beim Gerümpel gelandet sind.
Ich war dennoch interessiert und bot mit. Es wurde nicht ganz billig, zwei oder drei andere Interessenten witterten wohl auch etwas Lohnenswertes; aber ich erhielt den Zuschlag. Drei Wochen und einen nervigen Briefwechsel später lag das Teil im Kofferraum meines Autos und fuhr in sein neues Zuhause. Das liegt jetzt fast sieben Jahre zurück.
In der ersten Phase meiner Arbeit wollte ich zweierlei wissen.
1. Was ist das?
2. Ist das wirklich was Besonderes, dessen Restaurierung sich lohnt?
zu 2.
Tatsächlich war das Modell (knapp 160 cm lang) so beschädigt, verstaubt, verdreckt etc., dass die Analyse nicht ganz leicht fiel. Mut machte mir dann die erste Reinigung eines Beschlagteils, einer Dampfwinsch:
Die Entscheidung war gefallen, eine Restaurierung anzugehen. Ich erklärte ein kleines, vorübergehend leer stehendes Zimmer zur Demontagehalle. In den nächsten Tagen pflückte ich Hunderte von Einzelteilen von dem Modell herunter, die sich zum Glück alle weitgehend problemlos lösen ließen, da sie nur mit dünnen Nägeln befestigt waren. Dabei fotografierte ich jeden Handgriff. Die Teile wurden gesäubert und in Kästen gesammelt.
zu 1.
Dass es sich bei dem Modell um etwas nicht ganz Durchschnittliches handelte, bewiesen mir ja nach ihrer Säuberung die Beschlagteile. Allein die große Ankerwinsch (oben) ist ja ein kleines Kunstwerk, zusammengesetzt aus vielen, teils blanken, teils brünierten Messingteilen, die allesamt in Handarbeit entstanden sein müssen. Also machte ich mich auf die Suche nach einem historischen Vorbild für das Modell. Der Vorbesitzer konnte mir wenig über die Herkunft des Modells sagen. Einziger Hinweis war der (mit Tinte?, jedenfalls ziemlich unprofessionell) auf den Bug gemalte Name:
Nun leben wir im Zeitalter der Information (über alles und jedes), und es war nicht sehr schwer, einen ca. 160 Meter langen Zweischornsteiner zu ermitteln, der irgendwann in seiner Laufbahn "Marco Polo" geheißen hat. Tatsächlich handelt es sich um die Kaiser Franz Joseph I., gebaut 1912 in Triest als das größte Schiff der k.u.k. (österreichischen) Handelsmarine.
So hat sie 1913 ausgesehen:
Nach dem ersten Weltkrieg fiel sie zusammen mit Triest an Italien und wurde in Presidente Wilson umbenannt. Die Schornsteine sind etwas verkleinert.
Und dies ist sie als Marco Polo aus den 30er Jahren, zwischenzeitlich hieß sie auch Gange (Ganges); jetzt weiß lackiert und mit noch kürzeren Schloten:
Das Modell war offenbar parallel zu seinem Vorbild umlackiert um umgebaut worden, wobei diese "Anpassungsmaßnahme" keineswegs so sorgfältig ausgeführt worden war wie das Modell selbst, das, wie ich heute weiß, zusammen mit dem Original im Jahr 1912 gefertigt wurde.
Im Folgenden noch zwei Detailfotos vom Zustand, in dem ich das Modell erwarb. So gut "weathern" kann nur die Zeit selbst.
Ich denke, man kann nachvollziehen, dass ich während der ersten Sicherungsmaßnahmen schwer zerrissen war: Einerseits wurde mir immer klarer, was für ein (historisches!) Schmuckstück ich da vor mir hatte, andererseits war der Grad der Zerstörung, des Verfalls und der Verunstaltung doch sehr sehr groß! Würde überhaupt irgendwer es schaffen, dieses Modell zu restaurieren? Und könnte dieser Jemand ich sein? Immerhin, ich hab's gewagt.
Fortsetzung folgt in Kürze
Schmidt