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Plastik: Noch eine Vasa?

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Donnerstag, 18. April 2024, 10:19

Noch eine Vasa?

Ich fange mal klein an. D.h., ich fange an, als ich ein kleiner Junge war. Mein Vater brachte mir etwas mit, das er wahrscheinlich nicht für mich gekauft hatte. Es war schwer und in der Lage, einen kleinen Jungen für sich zu interessieren. Und vielleicht hat es auch an seinem Gewicht gelegen, dass das Teil mir nicht abhandengekommen ist und mich seit über 60 Jahren begleitet. Es ist neben einem Steiff Tier mein ältester Besitz



Kenner der Materie wissen jetzt Bescheid. Das ist ein großformatiges Modell einer 24 Pfund Kanone der Vasa. Etliche Details stimmen: die Proportionen, das Wappen, die Signatur des Königs und die Jahreszahl 1626. Auch die Lafette ist aus Metall gegossen.




Etliche Jahre später sah ich ein ähnliches Exemplar auf eBay, das Rohr wahrscheinlich aus derselben Form (oder nach demselben Urmodell) gegossen, aber mit einer Holzlafette mit ähnlichen Metallteilen als Beschlägen.




Der Kontakt mit dem Käufer ergab folgendes: Das Modell stammt aus einer Gießerei in der Nähe meiner Heimatstadt. In deren Belegschaft muss Anfang der sechziger Jahre jemand gewesen sein, den die Auffindung und Hebung der Vasa in Stockholm begeistert hat und der in der Lage war, einen so hochwertigen Nachbau einer Kanone herzustellen. Damals waren drei Kanonen der Vasa geborgen worden, während die übrigen ca. 60 schon im 17. Jahrhundert gehoben und irgendwann wahrscheinlich eingeschmolzen wurden. Wahrscheinlich wurden ein paar Dutzend Exemplare in der Gießerei hergestellt und als Werbemittel verteilt. Mein Vater arbeitete damals in leitender Position in einer großen Maschinenfabrik. So wird das Modell in seine dann in meine Hände gekommen sein. Ich habe ihn nicht danach fragen können. Als ich das zweite Modell mit der Holzlafette erwarb, war er schon seit geraumer Zeit tot.
Warum erzähle ich das alles? Das Modell hat irgendwann mein Interesse am Originalschiff geweckt, und seitdem verfolge ich (wie sehr viele Menschen auf der Welt) dessen Schicksal. Am letzten Wochenende nun habe ich mir einen lange gehegten und zum Schluss von Corona geschredderten Traum erfüllt und bin in Stockholm gewesen, um das dortige Vasa-Museum zu besuchen. Mein kurzer Kommentar dazu: Man muss vielleicht nicht nach Paris fahren, um sich einen Eindruck von der Mona Lisa zu machen. Aber Tausende Fotos der Vasa im Netz können nicht ansatzweise vermitteln, welche Aura vom Original ausgeht. Fotos gegenüber ist man immer der große Betrachter. Dem Original der Vasa gegenüber ist man selbst das Objekt der Wirkung, die von ihm ausgeht.
Ich hatte eigentlich für mich selbst abgehakt, ein Plastikmodell der Vasa zu bauen. Gerade entstehen hier im Forum drei Exemplare, denen ich nichts „Individuelles“ würde hinzufügen können. Aber noch im Museum hat mich die Frage gepackt, ob nicht ein Nachbau im Ist-Zustand etwas wäre, dass mich interessieren und locken könnte?
Und was ist dieser Ist-Zustand? 98 % des Schiffes sind, so heißt es, original. Manches ist ergänzt worden, und das kann man erkennen: etwa der Ersatz für das Oberdeck, das bei frühen Hebungsversuchen zerstört wurde, einige Planken im Heckbereich. Sie unterscheiden sich in Farbe, insbesondere aber durch ihre Glätte von den Originalteilen, denn die haben durch den Verwitterungsprozess etwa 1 bis 2 cm ihrer Außenhaut verloren. Der gesamte Rumpf wirkt wie die Haut eines gigantischen Drachens aus einem Fantasy Film: schwärzlich. fleckig, schrundig, dicht an dicht gesprenkelt mit den Spuren Tausender Bolzen, die zuerst weggerostet waren und dann zweimal durch moderne Materialien ersetzt wurden. Die Farbe des Rumpfes ist schwer zu bestimmen, zumal im Museum aus konservatorischen Gründen gedämpftes Licht herrschte. Fotos in anderer Beleuchtung zeigten statt des schlierigen Schwarz ein sattes Braun.

Und nun die große Frage: Kann man ein Plastikmodell im Maßstab 1:150 so herrichten, dass es diesen Eindruck wiedergibt? Was wäre dann zu tun?
Ich freue mich über Kommentare und Anregungen.
Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

2

Donnerstag, 18. April 2024, 13:38

*Freude*

XXXDAn

PS: Was du beschreibst kenn ich. Ich stand davor und hatte sofort einige Tränchen in den Augen - ÜBERWÄLTIGEND!

XXXDAn
... keine Angst, der will doch nur spielen ...



Feinste Ätzteile für HMS Victory 1:100
http://www.dafinismus.de

3

Donnerstag, 18. April 2024, 15:56

Man muss vielleicht nicht nach Paris fahren, um sich einen Eindruck von der Mona Lisa zu machen. Aber Tausende Fotos der Vasa im Netz können nicht ansatzweise vermitteln, welche Aura vom Original ausgeht.
Dann werde ich, wann auch immer das sein wird, mal die echte VASA anschauen.

Und was der Bau eines Modells betrifft, bitte nur zu. Ein Modell im verwitterten Zustand wäre mal eine tolle Abwechslung. An eine aufwendige Takelage könnte man sogar noch verzichten.
Ich habe stets mehrere Modelle im Bau, oft gibt es längere Pausen. Aktuell im Bau, bzw. in den letzten Monaten immer mal etwas dran gemacht: die hier gezeigten Modelle im Thread "Querbeet". --- Ansonsten viel Gartenarbeit beim Erstellen eines neuen Gartens auf einem komplett runtergekommenen Geröll- und Müll-Grundstückes. usw ........ :wink:

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4

Donnerstag, 18. April 2024, 20:59

Ein künstlich verwittertes Rumpfmodell dürfte einen guten Kontrast zum Goldjungen Prince darstellen, der ja auch im Bestand existiert. Gleichzeitig ist es das andere Ende der Bausatzherstellung, ein modern entwickeltes Produkt.
Das klingt reizvoll. Wahrscheinlich reizvoller als dein einst dem Moor entrissenes Wikingerschiff.

Ich bleibe mal in Sichtweite :ahoi:
Aus dem Wasser kommt das Leben, zum Wasser zieht es wieder hin..
Sammle sporadisch Erfahrungen im RC-Schiffbau.


5

Samstag, 20. April 2024, 13:37

Moin Schmidt

Also ich finde es eine phantastische Idee, mal ein "Museumsmodell" zu bauen. Das hat es meines Wissens auch bisher noch nicht gegeben. Es ist sicherlich sehr reizvoll, die Vasa mal im IST-Zustand darzustellen. Mit deinem umfangreichen Wissen über Alterung und deiner akribischen Detailversessenheit (im positiven Sinn) könnte ich mir niemand besseren für so ein Projekt vorstellen. Ich würde dabei jedenfalls gern mit zuschauen.
:dafür:


Gruß Steffen

6

Sonntag, 21. April 2024, 09:47

Vielen Dank für das Interesse an dem Projekt und die freundlichen Aufmunterungen.
Als erstes gilt es natürlich zu fragen, was genau eigentlich dargestellt werden muss, damit das Modell dem Vorbild im Museum ähnlich sieht. Dazu zunächst ein paar Worte Archäologiegeschichte. Während ihrer über 300 Jahre im Wasser und im Schlamm des Hafens von Stockholm haben die massiven Eichenplanken natürlich gelitten. Etwa 1 bis 2 cm haben Sie hier verloren. Anschließend waren sie jahrzehntelang einem Konservierungsprozess mit Chemikalien ausgesetzt, und auch das hat seine spezifischen Spuren hinterlassen.
Was sieht man, wenn man die Vasa heute sieht.







Die einzelnen Planken sind als solche deutlich zu erkennen. Die Oberfläche ist deutlich wellig, die „Wellen" folgen der Maserung. Womöglich hat auch der Abrieb durch die Sedimente in der Strömung diese Struktur geschaffen. Geht man näher heran, erkennt man Tausende von Bohrlöchern. Die eisernen Bolzen darin waren bei Hebung des Schiffes vollkommen verrostet, sie sind inzwischen zweimal durch stählerne Bolzen ersetzt worden. Aus der Nähe betrachtet bilden sie eine unregelmäßige Pockenstruktur, kein Vergleich mit den sauber aufgereihten Nägeln an den meisten Modellen.

Noch komplizierter ist es mit der Farbe. Jede Planke hat eine eigene Verwitterungsgeschichte, die sich auch in Farbunterschieden und regelrechten Flecken niederschlägt. Dabei muss man unbedingt erwähnen, dass es sehr schwierig ist, im Museum die Farben zu bestimmen, denn der Rumpf steht in einem gedämpften Vitrinenlicht.

Mit anderen Worten und etwas einfacher ausgedrückt: Schwierig.
Aber ist das schon ein Grund, es nicht zu versuchen: Nein.

Zunächst einmal geht es um die Wahl des Bausatzes. Nach einem Vergleich der beiden Bausätze mit dem Vorbild sehe ich keine andere Möglichkeit, als den jüngeren Bausatz von Revell zu verwenden. In ihm sind 40 Jahre archäologischer Forschung eingeflossen, und wenn man sich in die Details versenkt, kann man das auch gut erkennen

Ich besitze zwei verstümmelte Rumpfhälften, an denen ich ein paar Versuche angestellt habe.





Und dies sind die Werkzeuge. Sie stammen aus einer Zeit, in der ich mich noch mit größeren Modellen und mit Metall als Baustoff auseinandergesetzt habe.





Begonnen habe ich allerdings mit dem Versuch, die „Wellenstruktur“ mit einem Fräser von 0,5 bzw. 1 mm Durchmesser Linie für Linie einzugravieren. Nach 1 Minute war klar, so geht das nicht. Das Resultat produzierte eine Bordwand, die aussah, als sei sie mit gehacktem Metall beschossen worden. Also habe ich zunächst die Schleifkugeln und dann die massiven Messingsschleifräder ausprobiert. Die Kugeln schieden sofort aus, da sie in eine Bohrmaschine eingespannt nicht zu händeln waren. Außerdem waren sie zu aggressiv, und ich konnte nicht verhindern, dass sie die Ränder der Stückpforten sofort ausschliffen. Auch die größeren Messingräder führten nicht zu einer akzeptablen Struktur und waren zu aggressiv. Da war dann ein Bargholz im Handumdrehen vollkommen heruntergeschliffen. Einzig das kleinste Messingrad brachte interessante Ergebnisse, nachdem ich eine Halterung dafür gebaut hatte, die sich in den Dremel einspannen ließ, wodurch das Rad wesentlich besser handhabbar und in seiner Geschwindigkeit regulierbar wurde.
Hier zwei Bereiche mit den entsprechenden Ergebnissen. Der ausgekratzte Kunststoff ist händisch mit einer Messingbürste entfernt.






Schmidt wünscht ein Sonntag mit ein bisschen Sonne
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

7

Sonntag, 21. April 2024, 11:28

Die Vasa im IST-Zustand - WOW !!!
Moin Schmidt

Also ich finde es eine phantastische Idee, mal ein "Museumsmodell" zu bauen. Das hat es meines Wissens auch bisher noch nicht gegeben. Es ist sicherlich sehr reizvoll, die Vasa mal im IST-Zustand darzustellen. Mit deinem umfangreichen Wissen über Alterung und deiner akribischen Detailversessenheit (im positiven Sinn) könnte ich mir niemand besseren für so ein Projekt vorstellen. Ich würde dabei jedenfalls gern mit zuschauen.
:dafür:


Gruß Steffen

Es gibt da Bilder eines "wunderschönenen" Modells der Cutty Sark als abgehalftere, portugisische "Ferreira" - mit all den Veränderungen des einst stolzen Seglers und nach langer, üble ungepflegter Liegezeit .. fast schon schmerzhaft zu betrachten - aber modellbauerisch ganz phantastisch gemacht. Hier im MSW isse - auch von einem Könner!

Aber Deine ersten Versuche, lieber Schmidt, sehen ja schon wieder unglaublich vielversprechend aus. Deine Themen sind einfach toll und Deine Umsetzung ... spitzenklasse. Ich werde hier - wie immer eigenlich - still und begeistert mitlesen und wünsche viel Erfolg (woran ich keinen Zweifel habe) und viel Spaß!
Beste Grüße
Marcus

Manners Maketh Man

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