Leben ohne Modellbau ist möglich, lohnt sich aber nicht.
Borodino
Quelle Wikipedia gemeinfrei
Die Borodino war das Typschiff der russischen Borodino-Klasse, gebaut von 1899 bis 1904. Diese 5 Schiffe gelten allgemein als die schlechtesten je gebauten Schlachtschiffe.
Es war die Zeit hektischen maritimen Wettrüstens, und Russland mit seiner schlechten geostrategischen Ausgangslage, seiner nur in Anfängen existierenden Industrie und seiner mittelalterlichen Gesellschaftsstruktur war weit im Hintertreffen. In der Ostsee, im Schwarzen Meer und im Fernen Osten brauchte man dringend neue Schiffe, um nicht völlig bedeutungslos zu werden. Schnelle Abhilfe wäre es gewesen, diese im Ausland zu kaufen, das aber hätten die einflussreichen Nationalisten als Demütigung empfunden, also wurde ein Kompromiss gemacht: Es wurden Schiffe im Ausland gekauft, aber mit der Option, weitere Exemplare nach deren Plänen auf russischen Werften zu bauen. In Frankreich wurde das hochmoderne Linienschiff Tsesarevich bestellt, und noch während dieses im Bau war wurden auf russischen Werften Nachbauten begonnen. Klüger wäre es natürlich gewesen erst die Erprobung des Prototypen abzuwarten, aber man hatte es eilig, und aufgrund des sprichwörtlichen russischen Schlendrian waren sowieso von Beginn an Verzögerungen absehbar.
Das Hauptproblem der Tsesarevich war die ausgeprägte Topplastigkeit, das Schiff war nicht nur insgesamt zu schwer, sondern hatte einen zu hohen Schwerpunkt, was in Verbindung mit den oberhalb der Wasserlinie nach innen eingezogenen Rumpfseiten, Markenzeichen französischer Schiffe dieser Zeit, zu einem ausgesprochen schlechten Rollverhalten führte. Die dadurch sowieso schon höhere Kenterneigung wurde noch durch ein durchgehendes wasserdichtes Längsschott erhöht, das eindringendes Wasser auf einer Seite des Schiffes hielt, eine Schnapsidee, die von den Russen getreulich übernommen wurde. Mit fatalen Folgen.
Auch sonst tat man nichts, um dem Gewichtsproblem zu begegnen, man hätte beispielsweise die umfangreiche Beibootflottille oder die weitgehend nutzlosen Masten reduzieren können oder die Offizierskabinen weniger opulent ausstatten können, stattdessen wurde die Tertiärbewaffnung noch einmal deutlich verstärkt, es kam praktisch noch ein Deck voll Kanonen dazu. Modernstes Merkmal der Tsesarevich war die Sekundärartillerie, die nicht wie üblich in Kasematten, sondern in sechs Zwillingstürmen 2x152mm angeordnet war. Das behielt man auch bei, aber montierte unterhalb (!) insgesamt 20 Kanonen 76mm in Kasematten, die schon bei wenig Seegang unbrauchbar wurden.
Natürlich brachte das alles erhebliches Mehrgewicht, und natürlich brachten die Antriebsmaschinen aus heimischer Produktion nicht die geforderte Leistung, weshalb die Schiffe langsamer waren als vergleichbare Schiffe anderer Nationen. Das war in der Praxis aber kein Nachteil, weil sie in der zusammengewürfelten russischen Flotte zusammen mit total veralteten Panzerschiffen operieren mussten, die gerade einmal die halbe Geschwindigkeit schafften...
Und dann erst die Besatzungen! Die Matrosen waren meist ungebildete Bauernburschen, oft Analphabeten, die noch nie im Leben das Meer gesehen hatten und noch nie eine kompliziertere Maschine als einen Samowar bedient hatten. Die Offiziere dagegen waren oft versnobte Adelssprösslinge, die das Dasein als Offizier des Zaren nicht als ernsten Beruf, sondern eher als standesgemäßen Zeitvertreib ansahen. Von Vorgesetzten, die zwar kompetent, aber bürgerlicher Herkunft waren Befehle anzunehmen sah man als entwürdigend an, und so war Disziplin generell ein großes Problem im russischen Militär, und auf diesen Schiffen ganz besonders. Mitten hinein in die Phase der Ausrüstung und Ausbildung platzte dann nämlich der Krieg gegen Japan, und weil die Lage im Pazifik schnell katastrophal wurde musste man Verstärkung schicken. So wurde fast die gesamte Ostseeflotte, darunter auch vier hektisch einsatzbereit gemachte Borodinos (das fünfte Schiff wurde nicht rechtzeitig fertig und überstand so das Debakel) umbenannt in Zweites Pazifikgeschwader und Richtung Japan in Marsch gesetzt. Nach einer epischen Reise voller Pleiten, Pech und Pannen, nach 18000 Seemeilen in acht Monaten traf die erschöpfte und demoralisierte russische Flotte dann auf die von Admiral Togo perfekt vorbereitete Flotte Japans und wurde an einem Nachmittag völlig ausgelöscht. Die Borodino und zwei ihrer Schwesterschiffe wurden schnell zusammengeschossen und kenterten, jeweils mit furchtbaren Besatzungsverlusten. Von den knapp 800 Mann auf der Borodino überlebte ein einziger.
Von der Tsesarevich gibt es einen recht modernen Bausatz von Trumpeter, den ich vor ein paar Jahren mal gebaut habe, siehe
hier. Seitdem habe ich auch den Zvezda-Bausatz der Borodino liegen, der schon wesentlich älter ist. Ursprünglich stammt er wohl von ICM, war dann aber viele Jahre von Eastern Express erhältlich und dann von Zvezda. Es gibt auch Bausätze von anderen Schiffen der Klasse, diese unterscheiden sich aber nur im Karton und berücksichtigen die vielen kleinen Unterschiede nicht. Nur zwei unterschiedliche Schornsteinpaare liegen allen Bausätzen bei.
Dazu gibt es einen umfangreichen Ätzteilesatz von White Ensign Models, ein Holzdeck von Artwox und einen Rohrsatz von Master, der auch die kleinen 57mm und 76mm Rohre enthält. Im Laufe des Baus werde ich dann entscheiden, ob und wie weit die Masten durch Messingdrehteile von Master ersetzt werden. Aber selbst ohne das kostet das Zubehör schon ein Mehrfaches des Bausatzpreises..
Weiteres in Kürze.